Langsam kommt Tempo30

■ Verkehrssenator Wagner plant Tempo30 vor Kitas und Grundschulen Wagner will Autos nur „im Einzelfall“ mit baulichen Hindernissen bremsen

Fachlich sei das „Unsinn“, doch politisch womöglich ein „Schritt in die richtige Richtung“ - so zwiespältig nimmt die AL-geführte Senatsumweltverwaltung den Plan von Verkehrssenator Horst Wagner (SPD) auf, vor Grundschulen und Kindertagesstätten sowie Horten Tempo30 einzuführen. Wagner kündigte gestern an, er wolle noch in diesem Jahr damit beginnen, vor 286 Grundschulen und 818 Kitas und Horten das Tempo auf 30Stundenkilometer zu beschränken. „Zu einem späteren Zeitpunkt“ will der Senator auch vor Seniorenheimen und weiteren „kulturellen und sozialen Einrichtungen“ die erlaubte Fahrgeschwindigkeit auf Tempo30 drosseln.

Beide Vorhaben sind Schritte hin zu der flächendeckenden Einführung von Tempo30, das eines Tages außer auf Hauptverkehrsstraßen überall im Stadtgebiet gelten soll. Die Umweltverwaltung bezweifelt aber, ob die von Wagner angekündigten Einzelschritte überhaupt etwas bringen. Hintergrund: Wagner will das Tempolimit nur „im Einzelfall“ auch mit baulichen Mitteln flankieren. Sein Sprecher Wolfgang Göbel begründete dies gestern mit den „immensen Kosten“, die beim Einengen von Straßen oder beim Pflastern von Fahrbahnschwellen anfallen würden. Untersuchungen hätten ergeben, daß schon nach dem Aufstellen von Tempo-30 -Schildern „die Zahl der Unfälle mit Personenschäden deutlich zurückgegangen“ sei, hieß es aus der Verkehrsverwaltung.

Tatsächlich hatten die zitierten Untersuchungen das genaue Gegenteil erbracht; daran erinnerte gestern ein Verkehrsplaner der Umweltverwaltung. Nach Tempo-30-Versuchen in fünf ausgewählten Wohngebieten konnte Wagners Vorgänger Edmund Wronski (CDU) Ende letzten Jahres nur geringe Effekte auf die Unfallzahlen feststellen. Kinder, so ein weiterer Einwand der Umweltbehörde, verunglückten ohnehin eher nachmittags, während des Berufsverkehrs als vor Kitas und Schulen. Deshalb sei es sinnvoller, in Wohngebieten sofort und flächendeckend das Tempo auf 30 zu reduzieren. „Problematisch“ ist nach Ansicht der Umweltverwaltung außerdem, daß Wagner offenbar gerade dann auf Tempo30 verzichten will, wenn Kitas oder Schulen an Hauptverkehrsstraßen liegen - immerhin ist der Autoverkehr hier gefährlicher als in Nebenstraßen.

Im Rahmen eines „Stufenkonzeptes“ könnten Wagners Vorhaben immerhin die „Bewußtseinsbildung“ zum Thema Tempo30 fördern, räumt man in der Umweltbehörde ein. Bedenken kann Umweltsenatorin Schreyer ohnehin nur über einen Umweg anbringen: Lediglich die beiden anderen von der AL gestellten Senatorinnen, Anne Klein und Sybille Volkholz haben das Recht, Wagners Vorlage mitzuzeichnen, nicht die Umweltsenatorin selbst. Anreger des Tempolimits vor Schulen und Kitas war das Abgeordnetenhaus. Es hatte den Senat schon im November 1988 beauftragt, nach geeigneten Maßnahmen zu greifen, um die Kinder hier besser zu schützen.

hmt