Japans Sozialisten ins Oberhaus

■ Japanische Konservative müssen mit dem Verlust der Mehrheit rechnen / Die Hälfte der Sitze im Oberhaus wurde neu vergeben / Regierende LDP stürzt über Geisha- und Finanzskandale

Tokio (afp/taz) - Trotz hochsommerlicher Temperaturen lag den japanischen Wählern gestern offenbar mehr daran, die regierende Liberal-Demokratische Partei (LDP) baden gehen zu lassen, als selbst der Sommerfrische zu frönen. Während den Sozialisten große Gewinne prognostiziert wurden, sollte der seit 34 Jahren regierenden LDP der Verlust ihrer Mehrheit ins Haus stehen. 90 Millionen Wähler waren aufgerufen, die Hälfte der Abgeordnetensitze im Oberhaus neu zu vergeben. Das Unterhaus kann Gesetze gegen das Votum des Oberhauses nur mit Zweidrittelmehrheit verabschieden, so daß die Regierung im Parlament künftig auf Stimmen der Opposition angewiesen wäre.

Von den 252 Sitzen im Oberhaus standen 126 zur Wahl. Es wurde erwartet, daß die Liberal-Demokratische Partei zwischen 30 und 42 dieser Mandate gewinnt; für den Erhalt der Mehrheit aber wären 54 Mandate erforderlich. Bislang verfügte die Regierungspartei im Oberhaus über 142 Mandate, die Sozialistische Partei als stärkste Oppositionskraft über 43. Mit Ergebnissen aus einigen Bezirken wurde für den späten Montag abend gerechnet, die Auszählung in Tokio und anderen Großstädten aber sollte erst am Montag beginnen.

Es war nicht nur die Einführung einer dreiprozentigen Mehrwertsteuer und die Liberalisierung von Lebensmitteleinfuhren, vielmehr haben die medienwirksamen Geisha- und Aktienaffären die alteingesessene Vorherrschaft der Liberaldemokraten in Mißkredit gebracht. Bereits bei den Kommunalwahlen in Tokio am zweiten Juli wirkte sich der Unmut der japanischen WählerInnen mit dem Einzug von siebzehn Kandidatinnen ins Stadtparlament deutlich aus. Auch gestern bewarben sich im Zuge des in der japanischen Öffentlichkeit sogenannten „Madonnatrends“ 146 Frauen um einen Sitz im japanischen Oberhaus. In letzter Minute machte die LDP noch den verzweifelten Versuch, der erfolgversprechenden sozialistischen Spitzenkandidatin Doi eine ehemalige Mitarbeiterin des Gesundheitsministerium an erster Stelle der Nominiertenliste entgegenzusetzen.

sl