Schießplatz „Sommercamp Anchuras Hilton“

Ein Jahr dauert der Widerstand des spanischen Dorfes Anchuras gegen einen geplanten Schießplatz der Luftwaffe / Militärs suchen Akzeptanz mit einem „Hilton„-Sommercamp / Die DorfbewohnerInnen wehren sich mit Blockaden und passivem Widerstand  ■  Aus Anchuras Antje Bauer

„Hier kommen die Militärs nicht durch. Nur über meine Leiche!“ versichert die junge Frau und schüttelt energisch den hölzernen Prügel in ihrer Hand. Die anderen zehn Frauen, die dort in der Mittagshitze am Rande eines Pinienwaldes sitzen, stimmen ihr zu. Hier beginnt die Gemarkung ihres Heimatdorfes Anchuras, wo das spanische Verteidigungsministerium einen Schießplatz für die Luftwaffe einrichten will. Vor einem Jahr hatte die Bevölkerung von Anchuras erfahren, daß fast 7.000 Hektar Land für die Landwirtschaft, für die Jagd und den Korkabbau dem Übungsplatz zum Opfer fallen sollen. So alt wie diese Entscheidung ist aber auch der Widerstand im Dorf dagegen.

Am vergangenen Montag rückte eine 20köpfige Truppe der Luftwaffe im Nachbardorf La Mina ein. Sie baute dort auf dem Land, das ein Großgrundbesitzer dem Verteidigungsministerium abgetreten hatte, Zelte auf. Um zu verhindern, daß diese Militärs die Gemarkung von Anchuras betreten, sitzen nun die Frauen am Waldrand, harren an strategischen Stellen alte Männer; sogar kleine Gräben haben die Anchuraner ausgehoben, um den Landrovern der Militärs die Zufahrt zu verwehren.

Doch die Soldaten denken zunächst nicht an Aktionen. Unter einem großen Zelt mit der Aufschrift „Sommercamp, Anchuras Hilton“ schauen sie Videos, spielen Karten oder versuchen, der Hitze durch kalte Duschen von innen und außen zu begegnen. „Wir sind hier, um hier zu sein“, erklärt Major Ernesto Calderon; er hat sich mit türkis gestreiften Bermuda -Shorts und einem orangefarbenen T-Shirt dem Wetter angepaßt. Es gehe darum, die physische Präsenz des Verteidigungsministeriums sichtbar zu machen. Womit er meint, daß sich die Dorfbewohner an den Anblick der Militärs gewöhnen sollen.

Eine Gruppe Bäuerinnen aus dem nahegelegenen Dorf La Mina besichtigt das Lager. La Mina lehnt den Schießplatz nicht rigoros ab. Die Einwohner hoffen, wenn auch zu Unrecht, daß sich für sie dadurch nichts ändern wird. Die Besuche der Anchuraner auf dem Camp sind dagegen weniger freundlich. Eine Abordnung, vorneweg der junge Bürgermeister Santiago Martin, kommt, um sich zu beschweren. Es sei eine Unverschämtheit, das Lager „Hilton Anchuras“ zu nennen, denn schließlich liege das Lager außerhalb jener Gemeinde. Der Kommandant hat Anweisungen, freundlich zu sein. Mit ein wenig schwarzer Schuhcreme übertüncht er das beanstandete Wort.

Vor ein paar Tagen sind einige der Soldaten nachts zum Essen nach La Mina gefahren. Während sie in der Kneipe saßen, setzte sich eine Gruppe aus Anchuras um ihren Jeep. Nach ein paar vergeblichen Stunden des Wartens liefen die Soldaten zu Fuß nach Hause.

Persönlich könne er die Reaktion der Anchuraner verstehen, meint der Major, aber wenn das Verteidigungsministerium diese Entscheidung getroffen habe, sei diese sicher sinnvoll: „Aber man hätte mit den Leuten von Anchuras reden müssen.“ Das sei leider nicht geschehen. Und so sei es nicht weiter erstaunlich, wenn die Anchuraner nun fälschlicherweise glaubten, auf dem Übungsplatz würden sogar Atombomben abgeworfen.

Doch was der bermudabehoste Major Falschinformationen nennt, ist schwer von der Hand zu weisen. Das fruchtbarste Gelände der Gemeinde will sich die Luftwaffe aneignen. Schätzungsweise 300 Tiefflüge täglich werden den Einwohnern das Leben zur Hölle machen. Auch die Umweltschützer sind auf die Barrikaden gegangen. „In den Bergen hier außenherum leben die größten Kolonien an schwarzen Geiern, Steinadlern und schwarzen Störchen, die es auf der iberischen Halbinsel gibt. Sie gehen hier auf Nahrungssuche und würden durch die Flugzeuge vertrieben“, erklärt Jesus Garzon von der Umweltschutzorganisation Adenex. Wegen seiner Kritik an den Plänen des Verteidigungsministeriums hat er vor zwei Jahren seinen Posten als Direktor der Umweltschutzbehörde in der Nachbarprovinz Extremadura verloren.

Er zählt eine lange Liste seltener Raubvögel auf, die von der EG als schutzwürdig anerkannt worden sind und die hier nisten. Darüber hinaus liegt Anchuras mitten in der Vogelfluglinie. Kraniche und Wildgänse, die in Südspanien überwintern, und andere Vögel, die weiter nach Afrika ziehen. „Amsel, Drossel, Fink und Star“, sagt Garzon, „die kommen alle hier durch.“ Doch die Piloten riskieren ihr Leben. Der Aufprall eines Geiers auf ein F-18-Jagdflugzeug bei 800 Stundenkilometern entspricht etwa einem Aufprall von 100 Tonnen gegen das Flugzeug.

Das Verteidigungsministerium bleibt stur. Und die Bewohner von Anchuras stehen dem in nichts nach. „Wir werden weiterkämpfen mit allem, was in unseren Kräften steht“, versichert der Bürgermeister Santiago Martin. Mit Sitzstreiks, mit Spaten und mit einem vierstündigen Rockkonzert.