piwik no script img

Hongkong schiebt Boat people ab

70 Prozent aller vietnamesischen Flüchtlinge in Hongkong von der Ausweisung bedroht / Abkommen zwischen London und Hanoi kurz vor der Unterzeichnung / China warnt Hongkong  ■  Von Ralf Sotscheck

Die Behörden Hongkongs haben der vietnamesischen Regierung bereits Listen mit den Namen von etwa 300 Boat people übergeben, die von der britischen Kolonie nicht als politisch Verfolgte anerkannt worden sind. Diese Flüchtlinge sollen nach Vietnam „zurückgeführt“ werden, sobald die Details des Abkommens zwischen London und Hanoi geklärt sind. Damit ist schon in den nächsten Tagen zu rechnen. Großbritannien hat sich bereit erklärt, pro Kopf umgerechnet 1.600 Mark zu zahlen. Um einen Aufruhr oder Selbstmorde der Flüchtlinge zu vermeiden, wird die britische Regierung das Abkommens vermutlich erst nach Beginn der Transporte bekanntgeben. Von der „zwingenden Rückführung in die Heimat“ sind mindestens 70 Prozent der 50.000 Boat people in Hongkong betroffen.

Die chinesische Regierung hat am Wochenende eine deutliche Warnung an Hongkong ausgesprochen. Falls sich in der Kolonie Gruppierungen durchsetzen sollten, die die chinesische Demokratiebewegung unterstützen, hätte Hongkong nach 1997 „keinen Tag Frieden, geschweige denn Wohlstand und Stabilität“ zu erwarten. In der britischen Kolonie machen sich deshalb Befürchtungen breit, daß die Ausweisung der vietnamesischen Flüchtlinge negative Auswirkungen auf die eigenen Asylbewerbungen haben wird, falls sich das Leben in Hongkong nach der Übergabe an die Volksrepublik China im Jahr 1997 als unerträglich erweisen sollte. Die britische Regierung hat daher erklärt, daß die Boat people nicht gegen ihren Willen nach Vietnam zurückgeschickt werden sollen. Die UN-Flüchtlingskommission wird versuchen, die als „Wirtschaftsflüchtlinge“ eingestuften VietnamesInnen zu einer freiwilligen Rückkehr zu bewegen. Wer sich dennoch weigert, soll auf unbestimmte Zeit in den Internierungslagern Hongkongs bleiben dürfen.

Die UN-Flüchtlingskommission prüft wöchentlich etwa 400 Anträge von vietnamesischen AsylbewerberInnen, von denen jedoch nur zehn Prozent anerkannt werden. Die Zahl der täglichen Rücktransporte wird von der Dauer der Antragstellungen und -ablehnungen abhängen. Die USA haben gedroht, der UN-Kommission die Gelder zu entziehen, weil Washington die Ausweisung der Boat people ablehnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen