Beirutis auf der Flucht vor Kämpfen

■ Heftige Gefechte zwischen syrischen und christlichen Truppen / Kontroverse um irakische Mittelstreckenraketen für Christen-General / Verschärfte syrische Seeblockade

Beirut/Berlin (afp/taz) - Nach den schweren Bombardements in der Nacht zum Samstag hielt auch gestern die panische Flucht der Einwohner des überwiegend moslemischen Westbeiruts in den Südlibanon weiter an. Bei den Kämpfen zwischen den Truppen des christlichen Armeechefs General Aoun und syrischen Soldaten kamen sechs Menschen ums Leben, 55 weitere wurden verletzt. Ganze Straßenzüge in den am stärksten betroffenen Westbeiruter Vierteln Saidaniyeh, Sarif und Aicha Bakkar lagen in Trümmern. Es gab weder Telefon noch Strom. Die Feuerwehr war ohnmächtig, weil das Wasser fehlte.

Am Sonntag wurden bei Artilleriegefechten erneut sechs Menschen getötet. Der mit 2.000 Tonnen Treibstoff beladene griechische Tanker „Peter Agro“ wurde zehn Kilometer vor der Küste des „Christenlandes“ von einem Geschoß der syrischen Artillerie getroffen.

Mit der verschärften Seeblockade des Christengebiets will Syrien irakische Waffenlieferungen an den Christen-General unterbinden. Damaskus hatte sich jüngst insoweit kompromißbereit gezeigt, als die Landblockade aufgehoben wurde. Dies wurde mit der Forderung verbunden, Aoun solle die vom Irak gelieferten Mittelstreckenraketen zurückschicken. Außerdem solle die Anfang März vorgenommene Ausdehnung des Einsatzgebietes der christlichen See- und Luftstreitkräfte gegen die illegalen Häfen zurückgenommen werden. Dieser Schritt Aouns, der am 14.März einen „Befreiungskrieg“ gegen Syrien proklamiert hatte, sorgte für eine neuerliche Zuspitzung der libanesischen Krise.

Die Frage der irakischen Waffenlieferungen bedroht auch arabische und sowjetische Vermittlungsbemühungen. Nach dem Ende des Golfkrieges tragen die rivalisierenden Baath -Regierungen in Bagdad und Damaskus nun ihren Konflikt auf libanesischem Terrain aus. Aoun hat unterdessen zugegeben, Waffen aus dem Irak erhalten zu haben. Er wollte jedoch weder bestätigen noch dementieren, daß sich darunter Mittelstreckenrakten befinden, in deren Reichweite auch die syrische Hauptstadt Damaskus liegt. Bei diesen Raketen soll es sich um die Frog-7 sowjetischer Bauart handeln, die eine Reichweite von bis zu 90 Kilometern haben.

Nach den neuerlichen Kämpfen am Sonntag nachmittag an der Demarkationslinie zwischen Ost- und Westbeirut wurde der einzige Übergang zwischen den beiden Stadtteilen geschlossen. Zuvor hatte die Militärregierung Aouns einmal mehr mit einem „totalen Krieg“ gegen die syrische Armee gedroht. Sie kündigte an, künftig zu „allen, ihr zur Verfügung stehenden Mitteln“ zu greifen, um den „Befreiungskrieg“ erfolgreich abzuschließen.

BS