Bilder aus den Katakomben von Schatila

■ Bericht über den Lagerkrieg im Libanon / Eine Filmprobe der Freiburger Medienwerkstatt in der ARD, 23 Uhr

Bilder aus Beirut, einer Stadt, die aussieht, als würde sie Tag für Tag in Schutt und Asche gelegt und über Nacht wieder notdürftig repariert, sind seit Jahren Bestandteil der Fernsehnachrichten. Die Aufnahmen von den Kämpfen zwischen Palästinensern, Syrern, Schiiten, Christen und Drusen sind wie der Krieg selbst, eine Kapitalanlage, begehrte Waren auf dem Medienmarkt. Die von dem Kameramann Jussuf Ali Naffa aufgenommenen Bilder des Films Schatila. Auf dem Weg nach Palästina gehören nicht in diese Kategorie. Mit einer aus den Trümmern seines Ladens geretteten Ausrüstung hat der Videohändler Naffa, ohne viel technische Erfahrung, unter Todesangst vor Ort den Lagerkrieg dokumentiert. Schatila, eines der palästinensischen Flüchtlingslager in Beirut, gehört als Widerstandszentrum und Basis der Befreiungsbewegung seit Jahren zu den bevorzugten militärischen Angriffszielen: 1982 richteten christliche libanesische Milizionäre unter der Aufsicht israelischer Truppen ein Massaker im Lager an, drei Jahre später wurde es grausam von den schiitischen Amal-Milizen überfallen. Im Oktober 1986 begann der dritte Lagerkrieg der Amal-Milizen gegen die 4.000 Eingeschlossenen von Schatila, die unter die Erde in die Katakomben des verwüsteten Lagers geflüchtet waren.

In dieser Zeit der Belagerung, der Bombardierung und des Sterbens entstanden zwölf Stunden belichtetes Filmmaterial, das aus dem Lager herausgeschmuggelt werden konnte. Die Home -Videokamera hatte sich unter Tage begeben, in Bunker und Keller, in denen die 4.000 Menschen ums Überleben kämpften. Sie blickte auch dorthin, wo offizielle Fernsehkameras keinen Zutritt hatten: in das Lazarett unter der Erde, wo in Feuerpausen Verwundete notdürftig versorgt und Notoperationen ohne Narkose vorgenommen wurden, oder auf die Klagegesänge der Frauen bei dem Ritus der Totenwaschungen.

Die Freiburger Medienwerkstatt hat aus diesem Material in Zusammenarbeit mit „medico international“ ein 45minütiges Video montiert. Ohne die Struktur und den Rhythmus der Dokumentaraufnahmen zu verändern, haben die Bearbeiter Standfotos in den Bildbericht geschnitten und mit knappen Kommentaren zum politischen Kontext hinterlegt.

Der 1988 fertiggestellte Film Schatila ist eine engagierte Produktion der Medienwerkstatt Freiburg, die mittlerweile auf eine elfjährige Geschichte zurückblicken kann. Mit dem damals noch neuen Medium Video wollten die Gründer gezielt eine dokumentarische Gegenöffentlichkeit schaffen. Die Medienwerkstatt lebt und arbeitet noch immer als Kollektiv. Ihre Filme sind in Konzeption, Aufnahme, Rohschnitt und Endmontage das Resultat einer diffizilen und aufreibenden Gruppenentscheidung. Aus den einstigen Amateuren sind allerdings versierte Profis geworden. Ihren Ansprüchen aus den Gründerjahren sind sie jedoch treu geblieben und geben den unterdrückten Bildern den Vorrang vor dem glatten Feature.

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