Schnelle Entscheidung beim Kaviar-Cup

Steebs Erfolg gegen Agassi (4:6, 6:4, 6:4, 6:2) bringt Becker einen freien Tag und das Davis-Cup-Team durch ein 3:2 gegen die USA ins Finale gegen Schweden  ■  Aus München Herr Thömmes

Eigentlich war die Fete ganz anders geplant. Nach der 2:1 -Führung sollte das Match von Carl-Uwe Steeb gegen Andre Agassi dem Publikum Gelegenheit geben, die letzten Hummerschwänze und Champagnerflaschen niederzumachen, um dann frisch gestärkt und gut gelaunt Boris Becker rhythmisch zum Erfolg zu klatschen. Und dann war plötzlich alles zu Ende, noch ehe so recht Stimmung aufkommen konnte.

Selbst Roberto Blanco, der Republik einziger hauptberuflicher Tennisfan, hatte Mühe, rechtzeitig zum entscheidenden Matchball in der Olympiahalle und damit auch im Fernsehen zu sein. Boris Becker durfte sich dann unverhofft seiner Sportkleidung entledigen, weil Patrick Kühnen das unbedeutend gewordene fünfte Match in die Hand nahm (4:6, 6:1, 4:6 gegen Gilbert), und Ion Tiriac konnte erste Gedanken daran verschwenden, wie denn nun das Finale im Kaviar-Cup zu organisieren sei. Dazu werden, vermutlich wieder in München, vom 15. bis 17. Dezember die Schweden erwartet.

An die hat Carl-Uwe Steeb beste Erinnerungen: Beim gewonnenen Finale im vergangenen Jahr gelang ihm zum Auftakt ein Erfolg gegen Mats Wilander. Und nun wurde der Stuttgarter schon wieder für eine Überraschung gefeiert, die ihm selbst ein kleiner Akt der Wiedergutmachung war. „Ich wollte dem Publikum nicht mit dem Spiel vom Freitag im Gedächtnis bleiben.“ Da nämlich hat er gegen Brad Gilbert den Ball so grauslich schlecht mit dem Schläger bearbeitet und „gar nicht mehr gewußt, wie ich dran bin“.

In ähnlicher Gefühlslage fand sich am Sonntag abend plötzlich Andre Agassi. Noch halbwegs sicher im ersten Satz war ihm alles abhanden gekommen, was im Match gegen Becker noch so vorzüglich geklappt hatte. So frustriert war der Amerikaner, dessen Vorliebe ganz eindeutig der Grundlinie gilt, daß er zunehmend ans Netz rannte, was Steeb mit Zufriedenheit registrierte. Nicht nur, weil Agassi am ungewohnten Ort reichlich Fehler produzierte, sondern weil er merkte, „jetzt ist er müde“.

Das ist kein guter Zustand für einen, dessen Taktik sonst darin besteht, den Ball so lange sicher zurückzuschlagen, bis der Gegner einen Fehler macht. Aber „die Punkte nach langen Ballwechseln gingen alle an Steeb“ (Agassi) an diesem Tag. Nicht einmal die regelbedingte Unterbrechung nach drei Sätzen warf den Schwaben diesmal aus der Bahn. Kalte Wickel gab's da auf die Waden und die Formel im Kopf, „so was wie bei Gilbert darf dir nicht noch mal passieren“. Diesmal hat er den 2:1-Vorteil nicht mehr verspielt, auch weil Agassi die ganze Angelegenheit sichtlich nur noch rasch zum Ende bringen wollte.

Ein großes Kämpferherz wird dem modischen Blondschopf ohnehin nicht nachgesagt, und Steeb durfte sich selbst davon überzeugen, daß „Agassi nur gut spielt, wenn es läuft. Wenn der mal unten ist, dann kommt er nicht wieder.“ Und Carl-Uwe Steeb war dies Erlebnis eine besondere Genugtuung. Seit der Amerikaner beim Turnier in Key Biscane die despektierliche Äußerung getan hat, er wisse nicht einmal ob „Mister Stieb“ das Racket mit dem linken oder rechten Arm führe, kann er ihn nicht so recht leiden. Sowenig wie das, was dem Publikum stets gute Unterhaltung ist: der Applaus für einen guten Schlag des Gegners, die gute Laune beim Spiel, das Zwiegespräch mit den Zuschauern. Alles Faxen, sagt Steeb, „um die anderen Spieler zu Narren zu machen“, und solange er die macht, „ist Agassi nicht der Typ, mit dem ich ein Bier trinke“.

Doch dann war der Groll abgeladen und Steebs neue Devise: „Der Blick geht nach vorn.“ Über die US-Open hinaus schon einmal bis zum Finale im Dezember. Dann soll ein schnellerer Belag her, denn „der hier war gut für mich, aber schlecht für Boris“. So denkt der gute Mann immer an sich selbst zuletzt.