Brady-Plan für Mexikos Schuldenberg perfekt

■ Verhandlungsdelegation der Banken unterzeichnet Vertrag: 500 Institute sollen Schulden und Zinsen kappen, aber auch neue Kredite zu begrenztem Zinssatz vergeben / „Besserungsklausel“ umstritten / Mexiko muß mehr Anteile aus Staatsbetrieben verpfänden

Berlin (wps/taz) - Die Vereinbarung der mexikanischen Regierung mit ihren Gläubigerbanken über eine erhebliche Reduzierung der Bankenschulden von 54 Milliarden Dollar ist am Sonntag unter Dach und Fach gebracht worden. In einer Fernsehansprache war Mexikos Präsident Carlos Salinas indes schon bemüht, seine öffentliche Genugtuung darüber in die richtigen Bahnen zu lenken: „Mit Arbeit, Ordnung und Disziplin kann Mexiko seine Krise nun hinter sich lassen.“ Noch zufriedener dürfte allerdings US-Finanzminister Nicholas Brady sein, dessen Name für das Abkommen steht. Der Vertrag ist ein erster Erfolg für den im Frühjahr vorgestellten „Brady-Plan“. Er sieht neben neuen Krediten zum ersten Mal vor, mit öffentlicher Unterstützung die Banken anzuhalten, auf einen Teil ihrer Außenstände in der Dritten Welt zu verzichten.

Die Übereinkunft mit Mexiko, dem insgesamt mit 107 Milliarden Dollar nach den USA und Brasilien am drittstärksten verschuldeten Land, sieht im einzelnen vor:

-Die einzelnen Banken haben die Wahl: Sie können an Mexiko neue Kredite in Höhe von 25 Prozent ihrer Altforderungen vergeben. Die alten Schulden werden dann gleichzeitig in Schuldpapiere umgewandelt, deren Wert 35 Prozent unter dem ursprünglichen Nennwert liegt. Im Gegenzug können die Banker allerdings ruhiger schlafen. Mexiko sichert die Bedienung dieser Papiere mit 30jähriger Laufzeit durch Schatzbriefe der US-Regierung (durch „Zero-Bonds“, die heute billig zu erwerben sind, weil sie keine Zinsen abwerfen, bei Fälligkeit jedoch ein Vielfaches ihres Einkaufspreises erzielen). Auch die Weltbank und der Internationale Währungsfonds wollen hier Sicherheiten anbieten, wofür bereits sieben Milliarden Dollar bereitstehen. Nach dem Abkommen müssen diejenigen Banken, die keine neuen Kredite vergeben können, höhere Abschläge auf ihre Außenstände akzeptieren. Experten der US-Regierung gehen davon aus, daß sich durch diese Operation der Schuldenstand Mexikos im Laufe der nächsten drei Jahre um 10 Mrd. Dollar verringert.

-Die mexikanische Regierung wird in der nächsten Zeit jährlich für rund eine Milliarde Dollar Aktien von Firmen anbieten, die auf ihrer Privatisierungsliste stehen.

-Die Zinsen für die neuen Kredite werden auf 6,25 Prozent begrenzt, was eine erhebliche Reduzierung gegenüber den 11,3 Prozent bedeutet, die zum Zeitpunkt des Verhandlungsbeginns galten. Am Rande der Verhandlungen machten Schätzungen die Runde, daß Mexiko dadurch rund 1,6 Milliarden Dollar spart.

-Japan (zwei Milliarden Dollar) und Spanien (300 bis 400 Millionen) wollen zusätzliche öffentliche Kredite gewähren.

Die US-Regierung hatte vor dem Weltwirtschaftsgipfel großen Druck auf die 15 Banken des Verhandlungskomitees ausgeübt, die insgesamt rund 500 Gläubigerinstitute vertreten. Um auf dem Pariser Treffen das Abkommen präsentieren zu können, hatte sich Finanzminister Brady mehrfach selbst an den Verhandlungstisch gesetzt - allein es half nichts. Als recht harter Knackpunkt erwies sich dabei die „Besserungsklausel“, die Mexiko nun aber doch widerwillig unterzeichnen mußte. Danach werden die Zugeständnisse der Banken bis zu einem gewissen Grade wieder zurückgenommen, wenn sich die wirtschaftliche Situation des Landes schneller bessert als erwartet. Das könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Ölpreise stärker steigen als zum Zeitpunkt des Abkommens angenommen wurde.

Die Details des Abkommens müssen nun in den nächsten Wochen noch genauer ausgearbeitet werden. Insbesondere wird es allerdings auch darauf ankommen, daß sich nicht zu viele der insgesamt 500 Banken, die durch die 15 Mitglieder des Verhandlungskomitees vertreten wurden, quer legen. Vor Sommer wird Mexiko jedoch kaum in den Genuß der Vergünstigungen kommen.

Derweil hat sich der nächste Kandidat für ein Brady -Abkommen bereits zu Wort gemeldet: Laut 'Handelsblatt‘ vom Montag hat die Regierung Venezuelas sich am Wochenende mit derart massiven Forderungen an die Banken gewandt, daß die schon Angst vor einem Dammbruch hatten und den Mexiko-Deal platzen lassen wollten. Nach dem „Störmanöver“ aus Caracas machte das 'Düsseldorfer Industrie- und Handelsblatt‘ unter dem Druck seines Redaktionsschlusses mutig bis vorschnell auf Seite 1 unter der Überschrift „Bankenverhandlungen mit Mexiko ohne Ergebnis abgebrochen“ auf und analysierte sogleich in radikalem Ton: Bradys Einschätzung, man sei auf gutem Wege, habe sich „als reiner Zweckoptimismus entlarvt“.

Venezuelas Forderungen wären dabei mit den ursprünglichen Vorstellungen Mexikos durchaus vergleichbar: Halbierung der Schulden oder der Zinsen und das Angebot, seine eigenen Schulden zum Kaufpreis von 40 Prozent des Nennwertes zurückzukaufen. Der große Unterschied: Die Schmerzschwelle der Banken ist hier noch nicht erreicht. Venezuela gehörte in den vergangenen Jahren stets zu den regelmäßigeren Rück und Zinszahlern.

Ulli Kulke