Le-Pen-Mann soll EP-Reigen eröffnen

Rechtsextremer darf zur konstituierenden Sitzung des Europäischen Parlaments Eröffnungsrede halten / Linke drohen mit Auszug aus dem Plenarsaal / Neuer Parlamentspräsident bereits ausgemauschelt  ■  Aus Straßburg Th. Scheuer

Jetzt schwirren sie wieder, die Eurokokken: Am heutigen Dienstag konstituiert sich das im Juni neu gewählte Europäische Parlament. Auch das „Elefantenschmusen“ soll in der Straßburger Arena die vorherrschende Verkehrsform bleiben, zumindest nach dem Willen der beiden bislang gewichtigsten Fraktionschefs.

Der zoologische Fachterminus bezeichnet unter Anspielung auf die Leibesfülle ihrer bisherigen Vorsitzenden das Gekungel zwischen den beiden größten Fraktionen der Straßburger Versammlung, nämlich den Sozialisten und den Christdemokraten. So gilt die für heute vorgesehene Wahl des spanischen Sozialisten Enrique Carlos Baron Crespo zum Nachfolger des britischen Konservativen Sir Henry Plumb als Parlamentspräsident bereits als geritzt. Denn Christdemokraten-Chef Egon Klepsch (CDU) hatte letzte Woche während einer Klausurtagung seiner Fraktion auf der sonnigen Atlantik-Insel Madeira einem lieben Ehrengast das Gros der christdemokratischen Stimmen für dessen Kandidaten zugesagt

-dem scheidenden Fraktionspräsidenten der Sozis, Rudi Arndt (SPD).

In zweieinhalb Jahren, so signalisierte Arndt prompt den Christdemokraten, werde man im Gegenzug dann deren Kandidaten stützen: Den belgischen Christdemokraten Leo Tindemans. Der hat im Frühjahr letzten Jahres als belgischer Ministerpräsident eindrücklich demonstriert, was er von den ohnehin mickrigen Kontrollrechten des Europäischen Parlaments hält, als er dessen Untersuchungsausschuß zum Atomskandal Mol-Hanau mehrere hohe belgische Atomfunktionäre als Zeugen vorenthielt. Daß das ausgemauschelte „Abkommen Klepsch-Arndt“ selbst bei Abgeordneten der beiden Elefanten -Fraktionen Unmut auslöste, wird am Wahlausgang wohl wenig ändern.

Verspricht die Wahl des Parlamentspräsidenten also keine spannende Sache zu werden, so birgt die Eröffnung der konstituierenden Sitzung durch den Alterspräsidenten normalerweise formalistische Routineübung - am heutigen Dienstagvormittag um so mehr Reizstoff: Als ältesten Abgeordneten hat die Parlamentsverwaltung nämlich den französischen Regisseur Claude Autant-Lara (bekanntestes Werk: „Den Teufel im Leib“ mit Gerard Phillipe, 1946) ausgemacht.

Der Teufel im Detail: Der Alte gehört ausgerechnet der Fraktion der „Europäischen Rechten“ des Jean-Marie Le Pen an. Britische Labour-Abgeordnete, traditionell radikaler Kern der sonst eher biederen sozialistischen Fraktion, legten lautstark ihr Veto gegen die Eröffnung des Europäischen Parlamentes durch einen Le Pen-Mann ein und wollten gar mit einer Änderung der Geschäftsordnung Autant -Laras Auftritt verhindert wissen. Schließlich hatte vor fünf Jahren der spektakuläre Einzug von Le Pens Nationaler Front ins EP noch zur Einsetzung eines speziellen Untersuchungsausschusses über Rassismus und Faschismus in Europa geführt.

Doch das Parlaments-Präsidium, das am Montagmittag in Straßburg intern tagte, „mogelte sich um das Thema herum“, wie ein Beamter hinterher der taz anvertraute. Da Autant -Lara seinen Redetext bislang nicht vorgelegt habe, wisse man gar nicht, ob er die Eröffnungszeremonie zu einen Propaganda-Rundschlag ausnutzen oder nur formal über die Bühne bringen werde.

Die linke Hälfte des Hauses, so war gestern auf den Gängen zu vernehmen, will jedenfalls demonstrativ aus dem Plenarsaal ziehen, wenn der rechte Franzose heute vormittag das Wort ergreift. Spätestens zur Wahl ihres eigenen Kandidaten müssen die Sozis aber wieder auf ihre Plätze.