Tempo30 schon im Winter?

■ Flächendeckende Einführung von Tempo30 soll noch in diesem Jahr in Berlin beginnen / Verkehrssenator Horst Wagner wartet noch auf eine Entscheidung des Bundesrates / Bonn könnte sonst die Berliner Pläne blockieren

Verkehrssenator Horst Wagner (SPD) will „noch zum Winter“ mit der flächendeckenden Einführung von Tempo30 im Stadtgebiet beginnen. Die Pläne liegen zum Teil schon in der Schublade der Verkehrsbehörde. Danach soll das neue Tempolimit auf etwa zwei Dritteln des 3.000 Kilometer messenden Berliner Straßennetzes gelten. 50 Stundenkilometer wären nur noch auf den Hauptverkehrsstraßen sowie den übrigen Vorfahrtsstraßen zulässig, an denen das gelbe Rautenschild steht; außerdem, so Wagners Sprecher Wolfgang Göbel, käme noch „die eine oder andere“ weitere Straße hinzu.

Ob diese Pläne, die zum Teil schon unter Wagners Vorgänger Edmund Wronski (CDU) entwickelt wurden, Wirklichkeit werden können, ist aber abhängig von Bonn. Anfang September muß der Bundesrat entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Gemeinden in Zukunft Tempo30 einführen dürfen. Wie berichtet, gibt es darüber einen Streit zwischen Bundesverkehrsminister Zimmermann (CSU) und den SPD- und rot/grün-regierten Bundesländern. Sie unterstützen den Vorschlag des Deutschen Städtetages, Tempo30 in den Kommunen flächendeckend einzuführen. Die Idee des Städtetags nur Vorfahrtsstraßen davon auszunehmen, könnte einen teuren Schilderwald überflüssig machen. Zimmermann will dagegen, wie in den letzten vier Jahren versuchsweise schon erlaubt, Tempo30 nur in eng begrenzten Wohngebieten zulassen.

Wagner hofft nun, daß sich auch CDU-regierte Bundesländer dem Vorschlag des Städtetages anschließen. Der Verkehrssenator denkt dabei vor allem an seinen Fachkollegen in Baden-Württemberg. Stuttgarts CDU-Oberbürgermeister Rommel jedenfalls ist ein Freund von Tempo30. Sollte sich dagegen Zimmermann durchsetzen, sieht es für die Tempo-30 -Pläne des Senats zappenduster aus. Der trickreiche Bonner Verkehrsminister will in seiner Verordnung nämlich die Bedingung festklopfen, daß „geeignete bauliche Maßnahmen Tempo30 nahelegen müßten“.

In Berlin fürchtet man, daß Zimmermann auf diese Weise auch Wagners Pläne aushebeln könnte. Denn bauliche Schikanen, die ein Tempolimit unterstreichen, kosten Geld - zuviel Geld für viele Städte, auch für Berlin. Zimmermanns Sprecher Peter Schimikowski sieht in der Umbauforderung zwar nur eine „Soll -Bestimmung“, räumt aber ein, daß die Gerichte klagenden Tempofreaks durchaus recht geben könnten, die die Schilder dort wegklagen wollen, wo keine baulichen Maßnahmen das Limit unterstreichen.

Für den Fall, daß sich Zimmermann durchsetzt, vertröstet Wagner die Berliner auf mögliche andere Mehrheitsverhältnisse in Bonn nach den Bundestagswahlen 1990. Falls Berlin ohne rechtliche Rückendeckung aus Bonn und im Alleingang das Tempo annähernd flächendeckend auf 30 Stundenkilometer begrenzen wolle, könnten Raser vor Gericht ziehen und ihr Recht auf freie Fahrt einklagen. Unberührt von Bonner Querelen bleibt allerdings der Plan des Verkehrssenators, vor Kitas, Grundschulen, sowie Seniorenheimen Tempo30 zu verordnen.

hmt