Elektronisches Ikebana

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(Wunderbarer Planet, montags, 22.00 Uhr, ZDF) Die Geschäfte des ZDF mit den Japanern haben wirklich ihr Gutes. Das Ergebnis des Programmaustausches versetzt mich nun montags abends vorm Fernsehen in ähnliche Hochstimmung wie damals in meiner Schulzeit, wenn jene flachen, silbernen Dosen auf dem Pult des Erdkunde- oder Biologielehrers lagen. Dann nämlich wurde früher oder später der alte 16mm-Projektor aufgestellt, Leinwand runter, Licht aus, und während die Filmspulen klapperten, konnte ich der Balzzeremonie des Auerhahns beiwohnnen, tauchte ein in die geheimnisvolle Welt der Gastropoden oder bestaunte mit Schwester Elisabeth vom diakonischen Werk die Vegetation am Fuß des Kilimandscharo. In ähnliche Verzückung konnten mich nur Herr Grzizmek und Monsieur Cousteau versetzen.

Nun hat die Wunderbare Planeten-Reihe, die das ZDF vom japanischen Fernsehen übernommen hat, das erneut geschafft. Derart klassische Natur- und Lehrfilme kriegt man im Fernsehen sonst nur noch selten zu sehen. Erstaunlich also, daß das ZDF gerade eine Dokumentarfilmreihe zu bester Krimizeit in deutsche Wohnstuben schickt, in der ausgesprochen lehrbuchhaft jeweils ein Naturphänomen besprochen wird.

Diesmal ging es um Kohlendioxyd (CO2), von dessen Konzentration in der Atmosphäre es wesentlich abhängt, daß auf der Erde ein so belebendes Klima herrscht. Das war nicht immer so und wird, wenn der Mensch weiter so in die sensiblen Naturkreisläufe hineinpfuscht, in Zukunft nicht mehr so bleiben. Was passiert mit dem CO2, und wie kommt der Treibhauseffekt zustande? Zur Erklärung führt mich das Kamerateam rund um den Erdball. Der „Steinerne Wald“ im chinesischen Xi-Jang-Becken hat damit ebenso etwas zu tun wie das Barrier Riff oder die Rocky Mountains. Wenn die Kamera die gigantischen Kalksteinformationen genau unter die Lupe nimmt, werden „Fingerabdrücke“ sichtbar. Die gigantische Kulisse ist das Stoffwechselprodukt von Milliarden von Kleinstorganismen im Meer. Stromatoporen, Brachiopoden und wie sie sonst noch heißen mögen, sie bauen aus CO2 und Kalzium ihre Kalkpanzer und -skelette, die sich in Jahrmillionen zu riesigen Korallenriffen auftürmen. Der Meeresspiegel sinkt, aus Riffen werden Berge, der Regen spült das CO2 wieder ins Meer, wo es von den kleinen Tierchen erneut zu Kalkstein verdaut wird. Und so geht das endlos rund in der Natur.

Aber davon will ich jetzt gar nicht weiter erzählen. Denn meine Faszination rührt keineswegs vom praktischen Erkenntniswert des Filmes her. Es sind allein die Bilder, der mediale Sprung vom großen Panorama hinein in den Mikrokosmos, die Einblicke in geheimnisvolle Tiefen, das Satellitenbild von der Erdoberfläche, das in seiner Abstraktion eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Meerestierchen unter dem Mikroskoph aufweist, diese scheinbar mühelose Überwindung jeglicher Grenzen, das hat mir schon damals in der Schule mächtig imponiert. Dazu kommt, daß das nüchterne Lehrstück in Sachen Natur mit der für Japan typischen Perfektion formvollendet produziert wurde. Elektronisches Ikebana, das dem Betrachter bei Interesse neben ästhetischen Reizen auch noch Einblicke in ökologische Zusammenhänge gewährt.

utho