Nichts Neues über „Mister X“

■ Alice Schwarzer bleibt angekündigte Informationen über angeblichen V-Mann schuldig

Berlin (taz) - Wir wissen mehr als wir geschrieben haben“, erklärte Alice Schwarzer vor einem Monat auf Nachfragen der taz, ob sie außer Spekulationen über „Mister X“ auch Fakten zu bieten habe. Die 'Emma'-Chefin hatte in der Juli-Ausgabe ihrer Zeitschrift den Verdacht in die Welt gesetzt, ihre Exmitarbeiterin Ingrid Strobl, wegen Unterstützung einer „terroristischen Vereinigung“ zu fünf Jahren Knast verurteilt, sei einem V-Mann auf den Leim gegangen. Doch Alice Schwarzer bleibt auch in der neusten Ausgabe ihrer Zeitschrift die Beweise für ihr These schuldig.

Ihre Beschuldigungen richten sich gegen einen Linken aus der Kölner Szene, ein Freund von Ingrid Strobl, der wenige Wochen nach ihrer Verhaftung abtauchte. Statt Beweisen hatte Alice Schwarzer mit vielen Fragezeichen versehene Behauptungen präsentiert. Verdächtig fand sie, daß nach dem verschwundenen Mann nicht mit Haftbefehl gefahndet wurde, obwohl er doch zum engsten Bekanntenkreis der Journalistin zählte. (die taz berichtete)

In der folgenden 'Emma‘ sollten weitere Informationen nachgelegt werden. In der jüngsten Nummer findet sich jedoch nicht eine neue Erkenntnis zu „Mister X“. Alice Schwarzer ließ sich lediglich von der Bundesanwaltschaft bestätigen, daß gegen den von ihr verdächtigten Mann „derzeit ein dringender Tatverdacht nicht besteht“.

Eine Gegendarstellung von Ingrid Strobls Rechtsanwältin Edith Lunnebach weist Alice Schwarzer als unwahr zurück. Die Argumente, die Rechtsanwältinnen, politische FreundInnen, der UnterstützerInnenkreis von Ingrid Strobl, die taz und nicht zuletzt die 'Frankfurter Rundschau‘ gegen den Verdacht anführten, beeindruckten Alice Schwarzer nicht im geringsten. Wer die schwarzerschen Spekulationen scharf verurteilt oder falsche Behauptungen zurückgewiesen hat, macht sich unlauterer Motive verdächtig, zumindest aber politischer Blindheit: RechtsanwältInnen lügen, mißgünstige Möchtegernkonkurrentinnen hetzen (wahrer Kern? die k.), die Kölner Szene denkt noch nicht mal über die Spitzelfrage nach, „auch wenn alle wissen, daß die ganze Szene durchsetzt ist von V-Leuten.“ Wohl nicht zuletzt deshalb müßten „etliche unter ihnen (...) so rigoros abblocken“.

Als ehrliche Journalistin habe sie lange mit der Frage gerungen, ob sie mit ihrem „90prozentigen Verdacht“ gegen Mister X an die Öffentlichkeit gehen durfte. Fazit: Sie hatte nicht nur das Recht sondern die „Pflicht“. Einen 100prozentigen Beweis für dessen Richtigkeit könne nur das Bundeskriminalamt selbst oder der Beschuldigte in einem Geständnis erbringen. Beides sei unwahrscheinlich. Aber Alice Schwarzer verspricht: „'Emma‘ recherchiert weiter!“

Ulrike Helwerth