Rebmann soll Bundesanwalt ablösen

Startbahn-Prozeß: Verteidigung fordert Abberufung von Staatsanwalt Brinkmann / Befangenheitsantrag gegen drei Staatsschutzrichter abgelehnt/ Bislang vier Urteile des Oberlandesgerichts / Anklage der Bundesanwaltschaft hielt nicht stand  ■  Von Michael Blum

Frankfurt (taz) - Der Verteidiger des im Startbahn-Prozeß vor der Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht Frankfurt angeklagten Andreas S., Wolfgang Kronauer, fordert von Generalbundesanwalt Rebmann die Ablösung des Vertreters der Bundesanwaltschaft, Brinkmann. Staatsanwalt Volker Brinkmann sei „befangen, und er muß deshalb ersetzt werden“.

„Aufgrund der bisherigen Hauptverhandlung steht fest, daß BAW-Vertreter Brinkmann am 5.7.1988 einen falschen Aktenvermerk“ über ein Telefonat mit dem BKA -Sachverständigen Perret angefertigt habe. Aufgrund der „falschen Behauptung“ in diesem Vermerk, Andreas S. sei nach der gutachterlichen Feststellung des Sachverständigen Perret mit hoher Wahrscheinlichkeit Autor mehrerer Bekennerschreiben, erging am 6.7.1988 Haftbefehl gegen den Wiesbadener Startbahngegner, und in der Folge wurde Anklage vor dem OLG Frankfurt erhoben. Perret, der seine umstrittenen Expertisen im Verfahren relativieren und zurücknehmen mußte, hatte auf Vorhalt des Aktenvermerks durch die Verteidigung bestätigt, daß der BAW-Aktenvermerk nicht dem tatsächlich geführten Gespräch entspräche. Brinkmann habe folglich „wissentlich zuungunsten des Angeklagten einen falschen Aktenvermerk“ angefertigt. Zwar könne ein Staatsanwalt nicht wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Es sei jedoch möglich, „daß in dem Fall der Befangenheit bei dem Dienstvorgesetzten auf dessen Ersetzung hingewirkt werden kann“, schrieb der Jurist an Rebmann. In einem Antrag forderte Kronauer im gestrigen Verhandlungstag zudem den 5.Strafsenat auf, „im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht selbst beim Generalbundesanwalt auf die Ersetzung von Brinkmann hinzuwirken“.

Befangenheitsanträge gegen den Senat abgelehnt

Die Staatsschutzrichter Baumecker, Rothweiler und Wirbelauer haben unterdessen den Befangenheitsantrag gegen drei Senatsmitglieder verworfen. Die Verteidigung wollte mit dem Antrag die Ablehnung des Senatsvorsitzenden Schierferstein sowie der Richter Klein und Kern erreichen. Die drei Richter hatten in ihrem Beschluß vom 7.7.1989 Haftfortdauer gegen Andreas S. angeordnet. Nach Meinung der Verteidigung ist dies eine „Vorverurteilung“ (siehe auch taz vom 19.7.89). Zur Begründung der Zurückweisung des „unzulässigen“ Befangenheitsantrages führten die Senatsmitglieder an, daß der Antrag verspätet gestellt worden sei. Unterschlagen haben die drei Richter dabei allerdings die Tatsache, daß die verspätete Antragstellung auf die vom Senat zu verantwortende verspätete Zustellung des Beschlusses zurück geht.

Verfahren abgetrennt

Mit der neuerlichen Zurückweisung eines Befangenheitsantrages sind in dem bislang fünfmonatigen Prozeß zwei Dutzend Befangeheitsanträge der Verteidigung gescheitert. Von den ursprünglich neun Angeklagten wurden in abgetrennten Verfahren bisher drei StartbahngegnerInnen und der in der Szene wegen seiner belastenden Aussagen als Verräter gehandelte Mike K. abgeurteilt. Die ihm von der BAW zugedachte Rolle des Kronzeugen übernahm er nicht. Belastungsaussagen gegen andere Angeklagte hatte er im Verfahren zurückgenommen. K. wurde wegen „Störung öffentlicher Betriebe“ nach einem Anschlag auf einen Strommast zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe auf drei Jahre Bewährung verurteilt. Zudem wurde eine Geldstrafe von 2.000 DM verhängt, weil K. mit der Einfuhr von „Präzisionsschleudern“ gegen das „Waffengesetz“ verstoßen habe. Gegen die wegen Strommastsägens ebenfalls der „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ angeklagte SigrunG. erging eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. In weiteren Urteilen die Angst und der Kampf gegen die Atomkraft sei nach der Katastrophe von Tschernobyl verständlich, die angewandten Mittel jedoch moralisch verwerflich, befand der Senat wurde Michael M. wegen der Beteiligung an einem Anschlag auf einen Strommast zu einer einjährigen Haftstrafe ebenfalls auf Bewährung verurteilt. Bei Uschi J. Sah der Senat von einer Strafe ganz ab. Sie hatte bei dem Anschlag lebensgefährliche Verbrennungen erlitten und sei so genug gestraft. Die vier hatten ihre Beteiligung an den Sägeaktionen zugegeben.

Das Hauptverfahren

Im Hauptverfahren sind der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ noch Ina T., ReinerH., Andreas S., FrankH. Und Andreas E. angeklagt. Die Bundesanwaltschaft beschuldigt AndreasE. und FrankH., die tödlichen Schüsse an der Startbahn-West des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens am 2.11.1987 abgefeuert zu haben. Außer des zweifachen Polizistenmordes sind die beiden Startbahngegner auch des zweifachen versuchten Mordes angeklagt. In Erklärungen hat Andreas E. die Vorwürfe ebenso zurückgewiesen, wie Frank H. im November 1987 in einem Brief an die Frankfurter Redaktion der taz. Die BAW wirft Andreas E. in ihrem Anklagekonstrukt zudem die Rädelsführerschaft in der „terroristischen Vereinigung“ vor. Für die allerdings kann die Anklage noch nicht einmal den Gruppennamen vorlegen - sie wird schlicht nach dem BAW-Arbeitstitel „Gruppe um E.“ bezeichnet.

Nach 18 Monaten U-Haft wurde die Aussetzung des Haftbefehls gegen Reiner H., einen der fünf verbliebenen Angeklagten, am 23. Mai '89 durch den 5.Strafsenat vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt. Die Bundesanwaltschaft hatte gegen die Senatsentscheidung, H. aus der Haft zu entlassen, da eine zu erwartende Strafe eine weitere Haftfortdauer nicht rechtfertigen würde, beim BGH Beschwerde eingelegt. Oberstaatsanwalt Klaus Pflieger hatte zuvor den Prozeßbeteiligten die Einstellung des 129a-Vorwurfs (Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“) gegen H. und die Abtrennung des Verfahrens angeboten, wenn sie einer Verurteilung nach dem Paragraph 129 („kriminelle Vereinigung“) zustimmten. H. hätte entsprechend des BAW -Vorschlags zumindest die Beteiligung an drei Mast-Aktionen gestehen und eine Haftstrafe von mindestens zweieinhalb Jahren ohne Bewährung akzeptieren sollen. Der in der Beweisaufnahme nicht geführte Nachweis der Beteiligung des Frankfurters sollte durch ein Geständnis von H. ersetzt werden - die BAW hätte mit einer Haftstrafe ohne Bewährung die erste und bislang zur Gänze fehlende Legitimation für ihre Mamutanklage verbuchen können.

Anders erging es dem Wiesbadener AndreasS.: Der Senat folgte der BAW und hielt an der Haftfortdauer für S. wegen angeblichen „dringenden Tatverdachts“ fest. S. soll nach dem Perret-Gutachten Bekennerschreiben der Revolutionären Zellen verfaßt haben. Einen entsprechenden Nachweis konnte weder der umstrittene Sachverständige noch die Bundesanwaltschaft führen. Andere und von der Staatsschutzkammer zur Begründung ihres Beschlusses angeführte Anschuldigungen gegen S. hatten im vergangenen Jahr zur teilweisen Einstellung des Verfahrens durch die BAW und zur Haftentlassung geführt.

Erst nach der Sommerpause Ende August werden der zentrale Anklagepunkt und die von den Sicherheitsbehörden zur Zerschlagung der Anti-Startbahnbewegung genutzten Todesschüsse Gegenstand des Mammutverfahrens sein. Bislang hat der Senat die Anklage Person für Person aufdröseln und in den jeweils zentralen Anklagepunkten gegen die vier Abgeurteilten zurückweisen müssen.