Dämme gegen den Ausstieg

■ Mit völkerrechtlichen Vereinbarungen zur Wiederaufarbeitung soll die Tür zum Ausstieg aus der Atomwirtschaft verriegelt werden / Keine Rücktrittsklauseln für Rot-Grün

„Mit Blick auf einen möglichen Wechsel zu einem rot-grünen Bonner Bündnis in den neunziger Jahren mußte die Stromwirtschaft nicht nur um das Schicksal von Wackersdorf, sondern mehr noch um den Fortbestand ihrer milliardenschweren Kernkraftwerke fürchten. So gesehen, hat hier Vorsorge in doppelter Hinsicht stattgefunden. Noch nie haben sich Ausstiegs-Beschlüsse der SPD so nachhaltig in unternehmerischen und politischen Entscheidungen niedergeschlagen“.

Nicht nur Springers 'Welt‘ attestierte dem listigen Veba -Chef Rudolf von Bennigsen-Foerder nach dessen Wackersdorf -Coup im Frühjahr koalitionspolitischen Weitblick. Der Essener Energiewirtschaftler Professor Dieter Schmitt teilte im 'Handelsblatt‘ mit, daß „die Sicherstellung des Entsorgungsnachweises für die im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke über eine völkerrechtlich abgesicherte Zusammenarbeit mit Frankreich als langfristig verläßlicher und damit das wirtschaftliche Risiko als entscheidend niedriger - angesehen wird als die Weiterverfolgung einer nationalen Wiederaufarbeitungsstrategie“.

Selbst eingeschworene Gegner der von Bennigsen inszenierten Flucht aus dem Taxölderner Forst - wie DWK-Vorstandsmitglied Wolfgang Straßburg - erblickten im „Institut völkerrechtlicher Vereinbarungen“ immerhin die Möglichkeit, „selbst bei sich verändernden Mehrheiten im eigenen Land die Entsorgung der Kernkraftwerke zu stabilisieren“. Klaus von Dohnanyi gar gab in seiner neuen Rolle als elder statesman die folgende Einsicht zum Besten: „Das Ende von Wackersdorf bedeutet den Durchbruch der Atomenergie in unserem Land.“ Die sogenannte „Entsorgungsvorsorge“, wonach die AKW -Betreiber jeweils sechs Jahre im voraus wissen müssen, wo der in dieser Zeit produzierte strahlende Müll zwischen oder sonstwie gelagert oder aufgearbeitet werden soll, sei durch die internationale Zusammenarbeit auf unabsehbare Zeit formal gelöst.

In der Tat sollen den kürzlich mit den Franzosen und jetzt mit den Briten ausgehandelten „gemeinsamen Erklärungen“ harte völkerrechtliche Vereinbarungen folgen - als staatlicher Segen für die privatrechtlichen Verträge zwischen den bundesdeutschen AKW-Betreibern und den Wiederaufarbeitern in La Hague und Sellafield. Doch nicht nur Bennigsen-Foerder weiß, was seinen (öffentlichen) Interpreten bisher entgangen zu sein scheint: Der „Entsorgungsnachweis“ durch Wiederaufarbeitung im Ausland allein garantiert nach einem Bonner Regierungswechsel hierzulande keinesfalls den Weiterbetrieb der Atommeiler. Einer atomunfreundlichen Regierung bliebe es auf den ersten Blick unbenommen, sämtliche AKWs nach Änderung oder Abschaffung des Atomgesetzes auszuknipsen.

Das war zunächst auch für Töpfers Staatssekretär Martin Grüner „selbstverständlich“, als die taz kürzlich wissen wollte, ob „nach den geplanten völkerrechtlichen Vereinbarungen eine rot-grüne Koalition noch die Möglichkeit zum Atomausstieg hätte“. Nach Rücksprache im Bonner Umweltministerium verkehrte Grüner seine Aussage ins Gegenteil. Die offizielle Lesart im Hause Töpfer: „Auch eine andere Bundesregierung hätte zunächst einmal die geschlossenen völkerrechtlichen Vereinbarungen einzuhalten.“ Mit anderen Worten: Nur um den Preis des Bruchs internatioanler Vereinbarungen und gewaltiger Entschädigungsleistungen könnte eine neue Bundesregierung die Reaktoren stillegen und die Lieferung abgebrannter Brennelemente nach La Hague und Sellafield einstellen. Staatssekretär Grüner kurz und bündig zu möglichen Rücktrittskauseln in den völkerrechtlichen Vereinbarungen: „Die Frage stellt sich nicht.“

Rudolf von Bennigsen-Foerder will den „neuen energiepolitischen Konsens“. Seine Ankündigung nimmt Gestalt an. Notfalls per Völkerrecht.

Gerd Rosenkranz