Rot ist Liebe, Sonne, Untergang

■ „Rotes Kornfeld“ - Kreislauf der Elemente in fernöstlich kräftigen Bilden

Schon mal von Hong Gaoliang gehört? Herr Gaoliang ist ein Regisseur aus der Volksrepublik China und er hat einen großen Film gemacht. Das ist zwar schon über zwei Jahre her, im letzten Jahr gewann Rotes Kornfeld sogar den „Goldenen Bären“ auf der Berlinale, aber auch heute hat das Werk des Neuen Chinesischen Films nichts von seiner Attraktivität verloren. Eine große Kinoarbeit muß nicht einmal lang sein, 90 Minuten reichen völlig aus.

Groß sind die Bilder. Das Cinemascope-Format verhilft der Bilderfülle zur fast berauschenden Wirkung, die bisweilen sehr subjektive Kamera von Gu Changwei sorgt für eine visuelle Spannung. Ein rauschendes Hirsefeld steht im Mittelpunkt der episodischen Handlung im China der 20er Jahre. Die junge, ausgesprochen gutausehende Jiuer (Gong Li) soll mit einem mehr als doppelt so alten leprösen Schnaps- brenner verheiratet werden.

In einer Sänfte wird sie den weiten Weg zu ihrem Ehemann in spe geschaukelt. Die Träger singen despektierliche Lieder und Jiuer blickt nicht gerade froh in die Zukunft. Im roten Hirsefeld (die deutsche Bezeichnung Kornfeld ist eher irreführend) überfällt ein Räuber die kleine Karawane. Ji

uers Blick verliert den unterwürfigen Ausdruck, ganz hinterhältig späht sie durch die Vorhänge. Sie wird ihrem Schicksal entgehen.

Mit langen Kamerafahrten und Schwenks wandert das filmische Auge durch die grünen Hirsepflanzen, mal hektisch die Füße der Frau verfolgend, mal ruhig von oben in der Totale über die wogenden Spitzen hinwegschwebend. Allein diese Eindrücke rechtfertigen den Besuch im Kino. Windgepeitschte Garben im Gegenlicht der Sonne sind die grandiose Szenerie für Bewegung und Stillstand. Jiuer im roten Kleid hastet durchs Feld, stockt und irrt weiter. Alles um sie herum rauscht im Takt des Windes und nimmt sie gefangen. Wir hocken gebannt im Kinosessel und sind auch gefangen.

Inhaltlich ist Rotes Kornfeld eher schlicht gestrickt und das ist seine Stärke. Der Fortgang der Handlung, ohnehin meist spärlich aus dem Off kommentiert, ist auf das Wesentliche reduziert und das ist auch genug. Der Räuber im Feld wird kurzerhand erschlagen und nach drei unberührten Tagen beim leprazerfressenen Bräutigam wird Jiuer vom Sänftenträger Ju enführt und gibt sich ihm hin. Natürlich im Hirsefeld. Immer ist es das Feld, das die einzel

nen Episoden abgrenzt.

Rot ist die beherrschende Farbe des Films, die das Handlungsgefüge atmosphärisch bestimmt. Als Symbol der Liebe und Ausgelassenheit fließen Bäche von rotem Hirseschnaps über Gesichter und Körper und signalisieren den Neubeginn. Denn Jiuers Bräutigam wurde von Unbekannten erschlagen. „Guter Schnaps, wer ihn trinkt, ist eins mit Himmel und Erde, er erquickt Leib und Seele, wer ihn trinkt, wagt sich allein durchs rote Hirsefeld“, singen die Schnapsbrenner. Doch Rot ist auch die Farbe des Blutes. Nach einem Sprung von neun Jahren, Jiuer und Ju haben einen Sohn, bricht das Unheil über sie herein. Die Japaner überfallen das Land. Bei lebendigem Leibe ziehen sie ihren Opfern die Haut ab, doch keine Angst, nur die Farbe Rot überschwemmt überwältigend das Bild. Feuer und neuer roter Schnaps stehen für Rache und Gewalt und nach dem fürchterlichen Ende für Aufbruch. Jiuer ist erschossen, die anderen massakriert, nur Ju und sein Sohn stehen vor dem Hirsefeld bei einer Sonnenfinsternis. Ein letztes Mal ist die gesamte Leinwand spektakulär in Rot getaucht. Jürgen Franck

Schauburg, 21 Uh