„Die Chop-Suey-Gang“ - Tatort Bremen, 11. Teil

■ „Die Hand muß zur Polizei“, aber: Es ist eine abgehackten Hand zuviel / Der taz-Sommerkrimi über Bremens Herion-Mafia / Von Jürgen Alberts

Die Hand sah lebendig aus.

Ein Wunder, daß sie nicht zuckte.

Die Haut war nur wenig eingefallen, die Knochen etwas ausgeprägter, nur das schwarze Blut am Handknochen verwies auf ihren wirklichen Zustand.

„Haben sie eingefroren, glaube iche“, Xiao Chen betrachtete die Hand vom Standpunkt eines Küchenchefs.

Davids ekelte sich.

Trotzdem faszinierte ihn die Hand. Er hätte sie gern angefaßt, aber davor bewahrte ihn eine Berufsregel.

„Was wollt ihr damit machen?“ fragte er, als hätte Xiao Chen darüber zu bestimmen.

Die beiden Chinesen sprachen in ihrer Sprache.

Das Zimmer war sehr klein, eine Butze, kaum zwei mal zwei Meter, ein schmales Bett und ein

Tisch, hier wohnte der Kellner aus dem Restaurant „gelber Drache“.

„Was glaubst du, sollen wir machen?“ Der kleine Chen sah ihn ratlos an, sein Gesicht war traurig.

„Frag mich das lieber nicht. Oder, nein, das ist ganz klar. Dein Landsmann muß zur Polizei damit.“

„Das macht er nicht“, antwortete Xiao Chen.

„Aber es gibt keinen anderen Weg.“

Joe Davids war mit seinem Freund nach Hastedt gefahren, gleich unter der Eisenbahnbrücke wohnte der chinesische Oberkellner, dem diese Hand per Post ins Haus geschickt worden war. Neben dem Bett stand ein gepackter Koffer. Xiao Chen hatte sie vorgestellt. Sein Landsmann sprach hier bitte

die

kleine ZEichnung

mit den Stiften

nur Restaurant-Deutsch: „Guten Tag, ich heiße Sie willkomm in mein klein Zimmel.“

Sie hatten die Hand auf den Tisch gelegt und begutachtet. Davids fragte, ob dies vielleicht die Hand des Besitzers vom „Nanking“ sein könnte. Die Frage kam ihm selbst dämlich vor. Sie wurde nicht beantwortet.

Der Oberkellner sagte: „Ich fahle heute noch weg. Holland, Amsteldam, nul weg.“

Xiao Chen hatte Verständnis dafür.

Davids nicht: „Was denkt ihr denn eigentlich, was diese Hand bedeutet? Da ist ein Verbrechen geschehen, und du verschwin

dest.“

Er sah den Oberkellner an. Er blickte nicht einmal ängstlich drein. Auch die Hand schien ihn wenig zu beeindrucken.

Xiao Chen versuchte zu vermitteln. „Du mußt ihn fahren lassen, sonste gibte es ein Unglück.“

Joe Davids schüttelte den Kopf. „Die Hand muß zur Polizei.“

Er war sich nicht sicher, ob der Oberkellner, dessen füllige Gestalt im schwarzen Anzug spannte, wußte, daß Davids bei der Kripo war.

Xiao Chen warf ein: „Wenn die Polizei erfährt von dieser Hand, dann gibte es noch mehr Tote,

Joe.“

Das Zimmer stank. Davids roch es erst in diesem Augenblick. Wahrscheinlich ging der üble Geruch von der Hand aus. Aber es waren auch Essensreste, die hier irgendwo verfaulen mußten.

Er bat, das Fenster zu öffnen.

Der Oberkellner wehrte ab: „Wil allein.“ Seine Geste war heftig.

„Ich habe alles gesagt.“ Davids drehte sich um. „Diese Hand wird bei der Polizei abgeliefert. Und zwar morgen.“

Er ging. Froh, endlich diese kleine Butze verlassen zu können.

In seinem Kopf kreisten die Gedanken um die Leiche aus dem „Nanking“. Da fehlte noch eine Hand.

Als Xiao Chen sich verabschiedet hatte, fragte Davids ihn:„Weißt du, warum sie ihm diese Hand geschickt haben? Will er nicht

zahlen?“

Xiao Chen wiegte den Kopf:„Ich weiß nicht. Lu ist immer ein guter Kumpel gewesen, er hatte miche in Empfang genommen, als iche hier kam. Guter Kumpel, sagt ihr doch.“

Davids gab sich mit dieser lüge nicht zufrieden, er habe doch bestimmt mit Lu darüber gesprochen.

Aber Xiao Chen blieb bei seiner Ausrede.

„Und was geschieht jetzt mit der Hand?“ Davids ließ nicht locker.

Sie fuhren stadteinwärts.

Der gebrauchte Mercedes quietschte in den Kurven.

„Kommte morgen zur Polizei. Wie du gesagte hast.“

„Und Lu?“

Xiao Chen sah ihn an: „Iste dann weg.“

Fortsetzung folgt morgen