Akademische Karrieren in der Sackgasse

■ Diplomiert, promoviert, habilitiert - fürs Abstellgleis? / Warum die Berufswahl für Wissenschaftler „zunehmend gefährlicher“ wird / Spagatstellung zwischen wissenschaftlicher Qualifikation und Daueraufgaben in der Lehre / TU-Mitarbeiter fordern neue Stellenstruktur

Nachdem im letzten Semester den StudentInnen wegen der unerträglichen Zustände an den Unis der Kragen geplatzt war, meldet sich jetzt auch der akademische Mittelbau zu Wort. Seine Probleme sind durch die an den Hochschulen herrschende Beschäftigungsstruktur begründet. Für diejenigen, die sich nach dem Examen für die Wissenschaft als Beruf entscheiden, wird dieser Weg „zunehmend gefährlicher“. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Hamburger Soziologin Karin Fischer -Bluhm, derzufolge sich allenfalls jeder sechste habilitierte Wissenschaftler eine Chance auf eine ProfessorInnenstelle ausrechnen kann. Diese düsteren Berufaussichten schlagen sich im Arbeitsalltag nieder. Diejenigen, die eine befristete Qualifikationsstelle an der Uni annehmen, ihre berufliche Perspektive aber außerhalb der Hochschule sehen, werden ihr Engagement dorthin richten. Aufgaben in der Hochschule - auch der Lehre - werden sie mit möglichst geringem Aufwand wahrnehmen. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von linken und liberalen Mittelbauern an der TU hat deshalb jetzt unter dem Titel „Professionell statt professoral“ ein Papier hierzu vorgelegt, in dem sie eine personelle Neustrukturierung an den Hochschulen fordern, um Lehre und Forschung, aber auch die soziale Situation von WissenschaftlerInnen zu verbessern. Die Kernpunkte sind eine Aufteilung der Stellen des Mittelbaus, der nach Angaben der Arbeitsgruppe immerhin rund zwei Drittel der Daueraufgaben der Universität in Forschung und Lehre bewältigt, in Qualifikations- und Funktionsstellen.

Der akademische Nachwuchs, wie die Beschäftigten im Mittelbau der Hochschulen auch oft global bezeichnet werden, sind in der Realität jedoch eine äußerst heterogene Gruppe. Hinter dieser allgemeinen Bezeichnung verbergen sich nämlich WissenschaftlerInnen mit völlig verschiedenen Aufgaben und auf den unterschiedlichsten Qualifikationsniveaus. So sind zwar die meisten der an den Berliner Hochschulen etwa 7.000 wissenschaftlichen MitarbeiterInnen befristet für fünf Jahre angestellt und bestrebt, in diesem Zeitraum ihre Promotion zu erlangen. Diese Gruppe kann zu Recht als Nachwuchs eingestuft werden. Daneben gibt es aber sowohl auf Dauer als auch befristeten Stellen eine große Zahl an gestandenen WissenschaftlerInnen, die diplomiert oder sogar habilitiert sind. Daß Wissenschaft eine berufliche Sackgasse sein kann, erfahren paradoxerweise die höchstqualifiziertesten am härtesten. Wer habilitiert ist, dem bietet die gegenwärtige Personalstruktur der Hochschulen nur die Möglichkeit einer der knapp gesäten ProfessorInnenstellen zu erlangen oder für einen Hungerlohn - die Privatdozentur (siehe Kasten auf dieser Seite).

Gänzlich andere Probleme haben die mit befristeten Verträgen angestellten Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen an den Hochschulen. Sie befinden sich in einer institutionellen Spagatstellung zwischen einer Weiterqualifikation und der Bewältigung von Daueraufgaben in Lehre und Forschung. Zudem sollen sie noch in der akademischen Selbstverwaltung mitwirken. Da es aber schier unmöglich ist, sich in allein drei Bereichen gleichermaßen voll zu engagieren, wird - dies zeigt die Realität an der Uni - je nach persönlicher Lebensplanung ein Schwerpunkt gesetzt. (Zum Beispiel dem Vorgesetzten in den Arsch kriechen und die eigene Lehre entradikalisieren, damit es mit dem nächsten Vertrag auch klappt - d.S.) Leidtragende sind in der Regel die StudentInnen, denn in der Lehre lassen sich die wenigsten Anknüpfungspunkte für die weitere berufliche Laufbahn finden.

Hier Abhilfe zu schaffen, ist das Ziel der gemeinsamen Arbeitsgruppe von linken und liberalen Mittelbauern. In Abstimmung mit der „Bundesvertretung des Akademischen Mittelbaus“ (BAM) schlagen sie vor, neben befristeten Qualifikationsstellen unbefristete Funktionsstellen einzurichten. Die Qualifikationsstellen sollen vorrangig der Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses dienen und nur WissenschaftlerInnen bis zum Abschluß der Promotion umfassen. Funktionsstellen sollen die Bewältigung von Daueraufgaben, vor allem die professionelle Betreuung und Organisation der Lehre, beinhalten.

thol/bes