VERWILDERTE LANDESPFLEGER

■ Ausstellung „Moabiter Werder“ in der Johannis-Kirche

Das Objekt der Begierde, den Moabiter Werder, bedrängen Liebhaber: StudentInnen des Fachbereichs Landespflege an der Technischen Fachhochschule Berlin, ehemals Lennes „Königliche Gärtnerlehranstalt“, präsentieren in einer kleinen Ausstellung zehn Entwürfe, die gegen die bauliche Gier nach dem sogenannten „Filetstück“ gerichtet sind. Denn über die Gefräßigkeit der Stadtplaner sei die Erhaltung der Vegetation im Werder zu stellen, so das Ergebnis der angehenden LandschaftsgärtnerInnen.

In einer zweisemestrigen Gruppenarbeit analysierten die Eleven des großen Ahnherrn die spezifischen Eigenheiten des Grundstücks, kartierten den Naturhaushalt, krabbelten auf Bäume und buddelten Löcher in die Erde, gurgelten das saure Spreewasser und prüften den Mörtel alter Gemäuer. Schließlich untersuchten sie den Wind, ließen dabei Papierchen durch die Luft wirbeln und stellten Turbulenzen fest, die den Moabitern die notwendige Kaltluft von Südost zuführt. Sollte jedoch nach den Plänen der Senatsverwaltung gebaut und rund 1.200 Wohneinheiten errichtet werden, droht schweren Asthmatikern der Erstickungstod.

Trotz der akademischen Akribie enthalten die Entwürfe Neues: Dem Moabiter Werder wird ein ökologischer und lokaler Eigenwert zugemessen, der dadurch zum Ausdruck kommt, daß Geschichte und Vegetation die städtische Landschaft wieder in Natur verwandelte. Dieses soll Thema bleiben und für die Naherholung wie zur Spurensuche bereitstehen. Sinnvoll sei das Gelände schon für sich, nicht erst dadurch, daß Natur mit Buga-Plänen verkuppelt wird oder gigantische Bebauung landschaftlicher Entwicklung vorgeschaltet ist. So bleibt in vielen Entwürfen Natur als spontan gewordene Landschaft erhalten und wird nicht räuberischen Zugriffen preisgegeben. Der Werder öffnet sich Moabit als grüne Lunge, Verkehr wird verbannt und Wind soll durch die durchbrochenen S-Bahnbögen pfeifen.

Wo die Entwürfe dennoch auf städtische Planung eingehen, entsteht ein architektonisches Patchwork aus Rundbauten, Blöcken oder Zeilen für Wohnungen und kulturelle Einrichtungen, das nur mehr die chaotische Virtuosität reproduziert, wenn baupolitische Planung nach klaren Wegen in Irrgärten sucht.

Zuletzt ist zwei Studenten gerade das recht, was Bausenator Nagel immer billig war: Sie schlagen einen Standort für das Deutsche Historische Museum vor. Ein fast barocker Grundriß findet sich da im Grünen, umgeben von Kneipp-Tretbecken und Tennisplätzen, Multifunktionsbierzelten und hochgezogenen Gartenhütten, als wären sie der Spiegel dessen, was drinnen ausgestellt werden soll, nämlich Seppelgeschichten.

rola

Die Ausstellung ist noch bis zum 3.August im Gemeindehaus der Johannis-Kirche, Alt-Moabit25, zu sehen. Täglich von 11 bis 18Uhr.