Entlarvung medialen Stumpfsinns

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(Letzte Nachrichten, Di., 25.7., 22.30 Uhr, ZDF) Jeden Dienstag zu fortgeschrittener Stunde leistet sich das ZDF treulich ein Stückchen öffentlich-rechtlicher Pflichterfüllung: Stichwort „Minderheitenprogramm“. Den wenigen vor dem Bildschirm Verbleibenden öffnet sich der Zutritt in die Welt Des kleinen Fernsehspiels, zu einem Sammelsurium unterschiedlichster Filmbeiträge, deren meist einziger gemeinsamer Nenner das offenkundige Desinteresse des gemeinhin „breit“ genannten Publikums ist. Hier dürfen die Einschaltquoten mit stoischer Regelmäßigkeit einstellig bleiben. Die stupide Anbiederung an einen vermeintlichen Massengeschmack ist einmal nicht Voraussetzung für einen Sendetermin. Insgesamt betrachtet nicht mehr als ein Feigenblatt vielleicht; aber immerhin auch eine Nische für Filme, die sich andernorts wohl kaum Öffentlichkeit zu verschaffen wüßten.

In den Archiven verstaubt wäre ansonsten - und das wäre wirklich schade - vielleicht auch der Film, der jetzt in der Reihe zu sehen war: Letzte Nachrichten von Susanne Reumschüssel, die Abschlußarbeit der Regisseurin an der Berliner Film- und Fernsehakademie. Der Film erzählt von zwei Kameraleuten, von Fritz Schmidt (Dieter Wagner), dem „alten Hasen“, der seit den fünfziger Jahren fürs „Aktuelle“ im Berliner Lokalfernsehen zuständig ist, und von seiner frischgebackenen Assistentin Uli (Anette Kluge), die als „Freie“ einen Einstieg als Kamerafrau sucht. Fritz Schmidt steckt in der Krise. Lust- und perspektivlos, beständig maulend über den Niedergang der Film- und Fernsehkultur, lichtet er seit Jahren nur noch ab, was er bis zum Überdruß schon kennt: Berliner „Aktualität“: von der Tretbootregatta über einen Auftritt von Diepgens Eberhard hin zum Firmenjubiliäum der Wurstfabrik und wieder zurück. In Parallelmontage schön zu sehen im Film, wie solcher Stumpfsinn Nachrichten produziert. Die beruflichen Probleme Ulis sind erst einmal anderer Natur, geschlechtsspezifischer nämlich. Was ihr an sexistischen Parolen entgegenschlägt, klingt manchmal fast zu dumm, um wahr zu sein: „'ne Frau an der Kamera ist wie 'ne Frau am Steuer...“ usw. usf. Gut möglich allerdings, daß vieles durch die Regisseurin autobiographisch beglaubigt ist, was im Film bisweilen etwas dick aufgetragen scheint.

Das Schönste aber an Susanne Reumschüssels Film ist zweifelsohne die Schlußpointe: Völlig frustriert darüber, daß sein heißersehntes Projekt, in Afrika einen Dokumentarfilm zu drehen, scheitert, besäuft sich Fritz so, daß er die jährlich fällige Berichterstattung über die alliierte Truppenparade verschwitzt. Um die Sache zu vertuschen, liefert er dem Sender die Bilder vom Vorjahr. Keiner merkt es. Das Spiel setzt sich fort. Das vermeintlich Aktuelle wird entlarvt als beständige Neuauflage des Immergleichen, der Realitätsgehalt der Letzten Nachrichten vorgeführt als informatorischer Leerlauf.

Marcel Hartges