Irans Wahlsieger steht schon fest

Politische Führung einigte sich im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen auf den jetzigen Parlamentspräsidenten Rafsandschani / Farbloser Gegenkandidat aus Gründen der Kosmetik / Verfassungsänderung stärkt Position des Staatschefs / Neue Repressionswelle erwartet  ■  Von Robert Sylvester

Der Gewinner der heutigen Präsidentschaftswahlen im Iran steht so gut wie fest: Er heißt Ali Akbar Haschemi Rafsandschani und ist derzeit Parlamentspräsident. Sein Ehrgeiz, nach dem Tod Chomeinis zum eigentlichen starken Mann des Landes zu werden, steht damit vor der Erfüllung. Denn gleichzeitig mit der Wahl des Staatsoberhauptes stimmen die Iraner in einem Referendum auch über eine Verfassungsänderung ab, mit der die Position des Präsidenten gestärkt wird. Es hätte jedoch zu sehr nach Manipulation ausgesehen, wenn Rafsandschani als einziger Kandidat angetreten wäre. Der politischen Kosmetik zuliebe wurde ein farbloser Konkurrent aufgestellt: der Arzt Abbas Sheibani, der unter der ersten nachrevolutionären Regierung Bazargan bereits ein Ministeramt innehatte. Anders als Agenturen fälschlicherweise meldeten, ist Sheibani jedoch kein Mitglied der „Freiheitsbewegung Iran“ von Mehdi Bazargan mehr. Er trat bereits 1977 aus dieser Gruppe aus und schloß sich nach dem Umsturz der mittlerweile aufgelösten regimetreuen „Islamisch-Republikanischen Partei“ an.

Die „Freiheitsbewegung Iran“, eine Art legaler Opposition, boykottiert auch diesmal wieder die Wahlen. In einer Erklärung Bazargans heißt es, angesichts der Bestrebungen, nach Chomeinis Tod die Macht zu zentralisieren, sei mit einer Verschärfung der Repression zu rechnen. Der Bevölkerung werde keine Möglichkeit gelassen, die Regierung zu kritisieren. Nun wird versucht, die Bevölkerung über die Medien von der Notwendigkeit einer hohen Wahlbeteiligung zu überzeugen: Die „Unterdrücker der Welt“, die behaupteten, die Islamische Revolution sei seit dem Tode Chomeinis erschüttert, müßten Lügen gestraft werden. „Jede Stimme ist eine Kugel in das Herz der Feinde Irans“, hieß es beispielsweise in der Zeitung 'Islamische Republik‘. Mehrspaltige Fotos von Rafsandschani und lange Loblieder auf den Kandidaten zieren die Presse des Landes. Von der Häusern und Strommasten in den großen Straßen Teherans flattern rote Fahnen mit seinem Konterfei.

„Laßt uns ein Kapitel der Revolution schließen, um ein neues zu öffnen: Das Kapitel des Wiederaufbaus“, sagte Rafsandschani auf einer seiner wenigen Wahlveranstaltungen und nannte damit zugleich das Motto seiner Kampagne. In einer Gesellschaft, die einen achtjährigen Krieg hinter sich hat und in einer schweren Wirtschaftskrise steckt, klingen Rafsandschanis Versprechungen von einer besseren Zukunft, ökonomischer Entwicklung und einem besseren Wiederaufbau zunächst einmal attraktiv. In wirtschaftlicher Hinsicht wird damit gerechnet, daß er eine Politik der offenen Tür betreibt. Der private Sektor soll gegenüber dem staatlichen gestärkt werden. Außerdem steht eine Abwertung des iranischen Rial ins Haus, um die horrende Inflation zu reduzieren.

In politischer Hinsicht wird Rafsandschani nach dem Referendum über die Verfassungsänderung zum mächtigsten Mann im Staate werden. Die Funktionen des Staats- und Regierungschefs liegen künftig in einer Hand, da der Posten des Ministerpräsidenten abgeschafft wird. Wichtige Entscheidungen, die vorher im Parlament abgesegnet werden mußten, obliegen dann dafür zuständigen Kommissionen. Dies bedeutet, daß eine politische oder wirtschaftliche Entscheidung des Subkomitees auch in dem Fall bindend ist, wenn die Mehrheit der Parlamentarier anderer Auffassung sind. So wird der Besetzung dieser Kommissionen große Bedeutung zukommen.

Beobachter rechnen bereits jetzt mit einer neuen Phase der Repression. In den letzten Wochen wurden mehrere hochrangige Militärs und Angehörige der Revolutionsgarden hingerichtet. Zu ihnen gehört auch Brigadegeneral Sayaad-Shirazi, der ehemalige Kommandant der Bodenarmee, die im Krieg mit dem Irak eine wichtige Rolle gespielt hat.