Sowjetische Bruderhilfe an China

■ Peking und Moskau vereinbaren langfristige Wirtschaftskooperation / Gemeinsame Wirtschaftszonen in Grenzgebieten vorgesehen / Studentenführer plädiert für den Ausbau der Kulturkontakte

Peking/Moskau (afp/ap/ap) - Im Geiste des jüngsten Pekinger Gipfeltreffens zwischen Gorbatschow und der chinesischen Parteispitze haben die Sowjetunion und China am Mittwoch eine langfristige Wirtschaftskooperation vereinbart und ein entsprechendes Protokoll unterzeichnet. Die mühsame Annäherung nach 20jähriger Eiszeit der beiden kommunistischen Großmächte sollte weder durch die Pekinger Studentenbewegung noch deren gewaltsame Unterdrückung beeinträchtigt werden. Wie der chinesische Studentenführer Li Lu bei seinem Berlinaufenthalt gegenüber der taz erklärte, sieht sich die Pekinger Demokratiebewegung von Michail Gorbatschow enttäuscht, dessen Haltung lediglich von nationalen Interessen bestimmt sei.

Bereits am 25. Mai, noch vor dem Massaker auf dem Tiananmen, hatte die Pekinger Führung eine Konferenz über eine mögliche Ausweitung des Handels mit osteuropäischen Ländern einberufen. Seit einer Woche erörterten nun die Pekinger Abgesandten mit ihren sowjetischen Gesprächspartnern bis ins Jahr 2000 reichende Kooperationsprojekte in Industrie, Landwirtschaft, Wissenschaft und Erziehung. Eine ständige gemeinsame Kommission wurde ins Leben gerufen, die bis zum Jahresende den beiden Regierungen detaillierte Programme vorlegen soll. Vorgesehen sind vor allem Projekte in den Bereichen Atomenenergie, öffentlicher Verkehr, Kohle-, Holz- und Metallindustrie. Es existieren auch schon Pläne für den Export sowjetischer Rohstoffe zur Weiterverarbeitung in China, die dann in die UdSSR reexportiert werden sollen. In den Grenzgebieten sind gemeinsame Wirtschaftszonen geplant, im Fernen Osten der UdSSR sollen außerdem chinesische Arbeitskräfte eingesetzt werden.

Während China die Modalitäten für den Aufenthalt von Studenten und Wissenschaftlern im Ausland verändert und das neue Hauptkriterium das „patriotische Niveau“ der Studenten sein soll, soll an dem Kontingent von 3.000 Auslandsstipendiaten festgehalten werden. Dem taz -Korrespondenten in Peking sind indes zahlreiche Fälle von Studenten bekannt, die ihre bereits bestätigte Auslandsreise nicht mehr antreten können. Einem von der Friedrich-Ebert -Stiftung eingeladenen Dozenten der Politikwissenschaften werde der Paß vorenthalten. Studenten, die als Selbstzahler ins Ausland wollen, bekommen trotz bescheinigtem Studienplatz keine Ausreisegenehmigung. Lehrer, die im Herbst in die USA reisen wollten, müssen zu Hause bleiben, weil die entsprechenden Programme auf Eis gelegt worden sind. Der stellvertretende Leiter der Tiananmen-Aktionen, Li Lu, machte bei seiner Forderung nach Sanktionen gegenüber dem Pekinger Regime eine Einschränkung. Auf kulturellem Gebiet sollten bestehende Kontakte, soweit möglich, ausgebaut werden.

Die Handschrift der sogenannten Konservativen innerhalb des chinesischen Parteiapparats trägt ein am Donnerstag veröffentlichtes „Memorandum über die Unterdrückung des Aufstands“, in dem der kapitalistischen Welt vorgeworfen wird, China und den sozialistischen Block zu unterwandern. „Seit Jahren verstärkten die reaktionären Kräfte des internationalen Imperialismus ihre Versuche, die sozialistischen Länder politisch und ideologisch zu infiltrieren und sie von innen heraus zu unterminieren.“ Die Reformwelle in Osteuropa wird als Ergebnis der Wühlarbeit rückständiger kapitalistischer Kräfte bezeichnet.

sl