Alleinherrschaft auf der Insel Wangerooge

■ Nach dem geschlossenen Rücktritt des Gemeinderats

Eigentlich hätten sie jetzt Anlaß, erleichtert zu sein. Nach der Touristenflaute der Vorsaison ist die Nordseeinsel Wangerooge (Landkreis Friesland) jetzt „voll belegt“, das Wetter schön und zumindest an der Strandseite weit und breit keine Algen. Doch nach dem geschlossenen Rücktritt des Insel -Gemeinderats ist die Stimmung unter den 1.100 Insulanern eher ziemlich mies. „Es ist grauselig“, formuliert es Pensionswirtin Gisela Schmidt, seit 50 Jahren Insulanerin.

Was sich da in den vergangenen Wochen und Monaten auf dem kommunalpolitischen Schlachtfeld abgespielt hat und seinen vorläufigen Höhepunkt in der gescheiterten Abwahl des Gemeinde- und Kurdirektors Günter Till und dem nachfolgenden Rücktritt des gesamten Rats fand, empfanden viele Einheimische „fast wie in der großen Politik“.

Nachdem das Kind jetzt in den Brunnen gefallen ist, die Gemeinde vier Monate ohne amtierenden Rat auskommen muß, ist auf Wangerooge eine ungewöhnliche Situation entstanden. Sie ist in der niedersächsischen Gemeindeordnung nicht vorgesehen. Oberkreisdirektor Dr. Eckart

Bode in Jever wälzt inzwischen juristische Ausführungsbestimmungen. Bis Montag will er klären, wie die jetzt fehlenden zwei Organe der Gemeinde, Rat und Verwaltungsausschuß, vorübergehend besetzt werden können, damit das einzig übrig gebliebene Organ, der umstrittene Gemeindedirektor Till, nicht allein das Regiment übernimmt.

Der Gemeinderat, so ist auf der Insel zu hören, habe seine Aufsichtspflicht gegenüber dem Gemeindedirektor vernachlässigt. Der Verwaltungschef wiederum hätte so manche Entscheidung gefällt und erst im nachhinein vom Rat absegnen lassen.

So nahm die Geschichte ihren Lauf. Schwarz auf weiß nachzulesende Unfreundlichkeiten kamen hinzu. Daß zwei der Ratsherren, einer von der SPD und einer von der CDU, dann gegen den Antrag auf Abwahl Tills stimmten, obwohl sie ihn vorher mitunterzeichnet hatten, das übersteigt die Toleranzgrenze vieler Wangerooger. Wo es doch so wichtig wäre, „in so einem kleinen Sandhaufen an einem Strang zu ziehen“, sagt zum Beispiel die Pensionswirtin Gisela Schmidt.

Karin Güthlein