Bremer Straßenbahnen: langsam und defizitär

■ Geschäftsbericht 1988 der BSAG: Durchschnittsgeschwindigkeit fahrplanmäßig nur 19,1 km/h / Weniger Fahrgäste, 5,3 Mio Mark höheres Defizit

Jede BremerIn fährt im Jahr 198 Mal mit Bahnen oder Bussen der Bremer Straßenbahn AG - statistisch gesehen, versteht sich. Eine von zahlreichen Zahlen, die die BSAG in ihrem Jahresbericht 1988 aufgelistet und dem Aufsichtsrat Ende Juni zur Kenntnis gebracht hat. Knapp 106 Millionen Fahrten insgesamt hat die BSAG im vergangenen Jahr gezählt, ein Rückgang von 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Folge: Die Einnahmen sanken um 5,3 Mio auf 96 Millionen Mark. Der Zuschuß aus dem Landeshaushalt stieg um diesen Fehlbetrag auf 21,5 Millionen. Weitere knapp 40 Millionen bekam die BSAG von den Bremer Verkehrs

und Versorgungsbetrieben, einer Holding, in die die Stadtwerke einen Teil der Gewinne abführen. Umweltschutz ist

nicht quantifizierbar

„In dieser Rechnung“, so fügt die BSAG in ihrem Bericht hinzu, „werden allerdings nicht alle vom Unternehmen erbrachten Leistungen erfaßt, sondern nur diejenigen, die quantifizierbar sind. Nicht berücksicht werde, die Straßenentlastung, der Umweltschutz, die sparsame Energieverwendung die im Vergleich zum Individualverkehr höhere Sicherheit und die Erhaltung gewachsener Stadtstrukturen und städtischen Lebens.“

Trotz der rückgängigen Fahrgastzahl, die Nachfrage nach Bremer Karte und Bremer Kärtchen stieg weiterhin. Im Monatsdurchschnitt wurden 72.000 Karten verkauft, das Kärtchen stieg von 25.000 auf 40.000 Stück im Monat. Eine Entwicklung, die die BSAG mit lachendem und weinendem Auge sehen. Denn Neukunden wurden kaum gewonnnen. „Diese erfreuliche Entwick

lung muß vor dem Hintergrund anhaltender Rückgänge beim ertragsstärkeren Einzelfahrausweis- und Sammelkartenverkauf gesehen werden.“ Im BSAG-deutsch heißt das „Überwanderung innerhalb des Tarifs der Gesellschaft.“

Zum ersten Mal stellt die BSAG in ihrem Jahresbericht deutliche politische Forderungen. „Die Entwicklung des

ÖPNV in Bremen wird ganz entscheidend davon abhhängen, inwieweit die politischen Willensbekundungen, dem ÖPNV Vorrang vor dem Individualverkehr einzuräumen, umgesetzt werden“, heißt es.

Die Qualität des ÖPNV in Bremen, das findet auch die BSAG, ist „unbefriedigend“. Fordern mag das Verkehrsunternehmen zwar nichts, aber immerhin vor

schlagen, nämlich: einen Ausbau des vorhandenn Gleiskörpers, eine Erweiterung des Schienennetzes, Vorrang für Bahn und Bus, mehr Park&Ride-Angebote und mehr Komfort für die Fahrgäste. „Dazu bedarf es einer politischen Unterstützung, die den Vorrang des ÖPNV deutlich vertritt und auch Einschränkungen des Individualverkehrs gewillt ist, in Kauf zu nehmen.“

Anhand einer anderen Statistik wird deutlich, warum BremerInnen in der Mehrzahl immer noch liebr kurzzeitig mit ihren Autos im Stau stehen, statt mit der Bahn durch die Gegend zu zotteln. Ganze 19,1 Kilometer legt das Schienenfahrzeug in der Stunde zurück, und das auch nur, wenn die Verspätungen herausgerechnet werden. Und die Busse sind kaum schneller, 21,9 km/h.

Ende 1988 arbeiteten bei der BSAG 1.933 MitarbeiterInnen. Löhne und Gehälter schlagen denn auch bei der BSAG mit mehr als 100 Millionen Mark zu Buche. Verhältnismäßig preiswert ist dabei der Aufsichtsrat. Für das 21köpfige Gremium, Vorsitzender immer noch Ex-Senator Bernd Meyer, mußten lediglich 52.500 Mark an Aufwandsentschädigungen aufgebracht werden. Die drei Vorstandsmitglieder bringen es zusammen auf immerhin 572.000 Mark.

Holger Bruns-Kösters