„Die Chop-Suey-Gang“ - Tatort Bremen, 14.Teil

■ Der taz-Sommerkrimi in 32 Folgen / Aus einem Roman von Jürgen Alberts

Joe Davids war noch nicht so lange Oberkommissar, daß er die Ruhe hatte, sich mit seinem Vorgesetzten zu streiten, er würde einstecken müssen. Er versuchte sich auf dem Gang damit abzufinden. Soll er mich doch fertigmachen, dachte er, das vergeht auch wieder. Immerhin war ab morgen Wochenende, und da konnte er endlich mal ausschlafen. Er hatte es dringend nötig. Die Mitteilung, daß im „Gelben Drachen“ ein Einbruch geschehen war, nahm er als Beweis, wie die Triade sich in der Hansestadt Respekt zu schaffen suchte. „Kommen Sie nur herein, Kollege Davids“, die Stimme von Lang scharrte ein wenig. Dann stand er vor dem grauen Anzug mit der grünlichen Fliege, sein Gesicht war heute eher blaß. „Ich weiß, ich habe Sie kurz vor Feierabend bestellt, aber an mir soll es nicht liegen, Sie können pünktlich nach Hause.“

An mir auch nicht, dachte Davids und setzte sich auf den grünen Plastikpolsterstuhl.

„Es ist eine unangenehme Sache, und ich hoffe, Sie verstehen mich

nicht falsch, aber ich muß einige Tatsachen aussprechen.“

Joe Davids sah aus dem Fenster in die Wallanlagen.

„Sehen Sie, nicht daß ich etwas gegen Homosexualität hätte...“ Er stoppte seinen Redefluß.

Davids merkte sofort, daß es ein rhetorisches Manöver war. Jetzt nicht erwiedern, dachte er, dann läuft er leer, mal sehen, was er noch weiß. Aber der Kriminaldirektor schwieg. Sie sahen sich an.

Der eine hinter seinem Schreibtisch stehend, Davids angespannt auf dem Verhörstuhl sitzend.

„Ich wollte sagen, es ist Ihre Privatsache, und die Menschen sind verschieden, und jeder...“ Er kam ins Stottern.

Red nur weiter, dachte Davids, der jetzt auf stur geschaltet hatte, er merkte, wie er diese Unterredung in die Hand bekam.

„Also , Sie sind homosexuell, das ist uns bekannt. Sie haben eine Beziehung zu Herrn, wie heißt er gleich, Schau-Scheng, dem Besitzer des „Peking“, und deswegen mischen Sie sich in die Ermittlungen des Kollegen Schmückel ein. Können Sie mir dafür den ge

nauen Grund sagen?“

Davids schwieg.

Der Kriminaldirektor wartete. Seine Finger trommelten auf der Stuhllehne.

„Herr Davids, ich muß Sie bitten, das hier ist ein dienstliches Gespräch..“

Davids nickte, sagte aber nichts.

„Dann will ich Ihnen mal auf die Sprünge helfen. Kollege Schmückel sagte, Sie hätten was von Mafia gefaselt. Heißt das, daß Sie aufgrund Ihrer Beziehung zu Herrn Schau Scheng darüber Hinweise besitzen, die Sie uns vorenthalten?“

Joe Davids schlug ein Bein über das andere. „Ich habe versucht, aufgrund der Tatsache, daß die

Hände der Leiche abgehackt wurden, eine Überlegung anzustellen.“

„Mehr war das nicht, Herr Davids?“

„Nein“, log Davids. Wenn er jetzt etwas zugeben würde, dann mußte er die Dienststelle wechseln.

„Gut, ich will Ihnen das so abnehmen. Aber damit Sie auch Bescheid wissen, warum ich Sie nicht nmit der Aufklärung der chinesischen Leiche betraut habe, obwohl Sie sich darum bemüht haben. Uns ist Ihre Beziehung zu Herrn Scheng bekannt, und ich wollte nicht, daß es da falsche Rücksichten gibt, verstehen Sie? Sowas kann ja vorkommen.“

Joe Davids platzte es heraus: „Also werden meine Privatangelegenheiten hier schon öffentlich diskutiert, was?“

Lang spitzte den Mund. „Von mir erfährt niemand etwas.“

„Aber mit Schmückel haben Sie darüber gehechelt.“

Davids stand auf'wollte auf gleicher Augenhöhe sein, wenn sie sich duellierten.

„Was soll das, Davids? Ich habe

nichts gegen Homosexuelle, aber Sie müssen auch meine Verantwortung verstehen, wenn ich Sie da in Schwierigkeiten bringe, kann das die Aufklärung eines Mordfalles behindern.“

„Tun Sie doch nicht so formal, Herr Lang. Sie verstecken sich. Sagen Sie ruhig, daß Sie mich abnorm finden, daß es Ihnen lieber wäre, ich hätte Frau und zwei Kinder, ein Reihenhaus in der Neustadt und alle zwei Jahre einen neuen Wagen. Das wär‘ einfacher mit mir, das meinen Sie doch, was?“

Lang machte ein paar Schritte auf Davids zu

„Das sehen Sie völlig falsch, Kollege Davids. Das sind Einbildungen, die wohl daher kommen, daß Sie sich so sorgsam darum bemüht haben, nichts über Ihr Anderssein preiszugeben. Kann ich sogar verstehen, wirklich, Sie müssen so heftig reagieren, um sich zu schützen. Aber gerade das wollte ich auch, Sie schützen.“

Lang reichte Davids die Hand.

Der Oberkommissar machte keine Anstalten, auf diese Geste einzugehen.

Sie spionieren mir nach, dachte Davids, seine Tarnung war zerrissen.

„Ich glaube, es ist alles gesagt. Sie Sollten sich am Wochenende in Ruhe überlegen, und ich meine in Ruhe, nicht so aufgeregt wie jetzt, was ich von Ihnen verlange. Selbstverständlich wird nichts aus dieser Unterhaltung in die Akten kommen, obwohl der Kollege Schmückel so etwas Ähnliches gefordert hat.“

Davids schwieg wieder.“

Der Blick in die Wallanlagen beruhigte ihn jetzt nicht mehr'obwohl die Sonne schien.

„Fertig?“ fragte er.

„Schönes Wochenende“, sagte Lang und öffnete die Bürotür.

Zwei Stunden später joggte Davids durch den Bürgerpark. In seinem Kopf war Aufstand. Diese Geier, diese miesen Geier, Spießer allesamt. Wie er sie haßte, diese bigotten Arschlöcher, die mit ihrer Sexualität am Ende waren, die ihn verachteten, weil er schwul war, die sich das Maul zerrissen, wie lange haben die mich schon beobachtet, wie lange wohl? Fortsetzung folgt morgen