Friedhofsputz für Friedensnutz

■ Völkerverständigung mit Händen und Füßen: 53 Jugendliche aus 10 Ländern zu Gast in Bremen

Wer „Kriegsgräberfürsorge“ hört, denkt an Verdun und Sammelbüchsen, Veteranen und alte Kameraden, für deren Lebensabend auf öffentlichen Plätzen Kleingeld gegen Papierblümchen getauscht wird. Bremens oberster Kriegsgräberfürsorger Walter Francke stellt dem allerdings ein ganz anderes Bild gegenüber: Ihm geht es um Jugendliche, die sich aus Ost und West unter dem Motto „Frieden statt Krieg“ treffen, miteinander reden, sich kennenlernen und gemeinsam arbeiten. 53 Jugendliche aus zehn verschiedenen Ländern sind seit einer Woche auf Frankes Initiative zu Gast in Bremen, um gemeinsam Kriegsgräber in Osterholz und Hastedt pflegen.

Am Montag und Dienstag kamen die Jugendlichen an, größtenteils mit dem Zug, nur die Algerier flogen. Mit guten Beziehungen sorgte Franke für ein absolutes Novum des Jugendaustausches: Unter den 53 Jugendlichen befinden sich erstamals acht Schüler aus Riga. Sie sehen wie viele andere Teilnehmer die Bundesrepublik zum ersten Mal.

„Es ist hier wie Weihnachten,“ sagt ein Lette. „Daß man hier alles kaufen kann, verstehen diese Kinder schwer. Und vor allem, daß man es morgen oder übermorgen auch noch kaufen kann,“ ergänzt der Busfahrer nach dem ersten Stadtbummel der Jugendlichen und findet es „phantastisch“, was der Jugendgruppenleiter Schirling alles mit den Teilnehmern auf die Beine gestellt hat.

Neben der Grabpflege in Osterholz und auf dem jüdischen

Friedhof in Hastedt stehen Fahrten nach Helgoland, Cuxhaven, Hamburg und Bergen-Belsen auf dem Programm. Zweimal will man sich auch mit der Jugendgruppe in Oldenburg treffen. Für die Freizeit hat Gruppenleiter Schirling sich sogar die Mühe gemacht hat, jedem Teilnehmer ein Bremen-Programm mit Straßenbahn- und Busverbindungen, Veranstaltungen und den Sehenswürdigkeiten Bremens zusammenzustellen.

Die erste Panne gab's trotzem schon am Dienstag abend: Einer der Algerier verletzte sich beim Fußballspielen. Nach einigen Röntgenaufnahmen stellte sich heraus, daß er „nur“ eine Bänderdehnung hat. Die Kursteilnehmer kümmern sich intensiv um den Pechvogel und schieben seinen Rollstuhl abwechselnd.

„Sprachbarrieren gibt es keine. Es wird mit Händen und Füßen gesprochen, weil man miteinander reden will,“ weiß der Koch zu berichten. Er muß manchmal verschiedene Mahlzeiten kochen, weil die Mohammedaner trotz heimlichen Probierens keine Schweinefleisch essen wollen.

Das Wissen über die Bundesrepublik ist bei einigen noch recht mager. Ein Lette weiß über die Bundesrepublik z.B. „daß es Länder gibt, einen Präsidenten und Helmut Kohl.“ Er möchte einiges über die BRD und speziell über Bremen erfahren und mit nach Riga nehmen, die übrigens nicht als „Russe“ angesprochen werden wollen. Demonstrativ haben die Letten ihre Bundesfahne anstelle der russischen Flagge aufgehängt.

Im Lager wohnen Jungen und Mädchen getrennt und sind dafür nach gemeinsamen Sprachen „sortiert“ untergebracht. Trotzdem weiß Walter Francke aus Erfahrung: „Heiraten aufgrund solcher Jugendaustauschgruppen hat es schon gegeben.“

Kontakte und Austausch mit Brest (Polen) oder zur Normandie bestehen schon seit 25 bzw. 30 Jahren Dieses Projekt in Bremen soll unter anderem auch Bremer Jugendlichen im nächsten Jahr ermöglichen, nach Riga zu fahren.

bw