Brummis unter sich

■ Turnier zum Thema Sicherheit auf der Bürgerweide / Kampf um Millimeter

Ewald Focken steigt auf seinem Fahrersitz hoch, ein kritischer Blick zurück: Ist das Vorderrad noch in der Spurgasse? Stehen die aufgestellten Hütchen (Pylonen) noch? Der Reifen paßt gerade dazwischen durch. Jedes berührte oder umgeworfene Hütchen kostet 10 Strafpunkte. Aufmerksame Schiedsrichter überwachen die rund 10minütige Fahrt. Ewald Focken manövriert einen Bus über den Parcours auf der Bürgerweide. 19 Aufgaben muß er dabei bewältigen - alle zum Thema Sicherheit im Verkehr.

Auf die Sieger in vier Klassen warten im kleinen Festzelt hinter der Eislaufhalle 28 silbern-glitzernde Pokale: Manche so pompös wie der filmreif ausgestattete Supertruck am Eingang des Geländes, an dessen Windschutzscheibe ein „verkauft“ signalisiert, daß das vielfach mit modernstem Technik-Schnickschnack blendende Nutzfahrzeug einen (imaginären? ) Käufer fand. Preis: 315.000 Mark. Der Vorzeige-Benz war zweifellos Schmuckstück des zweitägigen Turniers, bei dem Berufs-und Fernfahrer sich entweder für die Deutschlandmeisterschaft in Berlin qualifizierten oder just-for-fun mit ihren Familien ein alltags-nahes Wochenendvergnügen suchten.

280 Starts verzeichneten die Veranstalter bei ihrem Turnier (von Mercedes und Reifenhersteller Pirelli gesponsert). „Für mich ist das wie eine Hobby: Wir können ja sonst nicht viel tun, bei der Arbeitszeit“. Fernfahrer Johann Burzynski ist eigens aus Emden angereist. Zum viertenmal ist er (zunächst als Zuschauer, jetzt als Teilnehmer) bei einem solchen Sicherheits-Spiel des KS-Automobilclubs mit dabei. Man gehe doch bewußter an sein Fahrzeug und dessen Ausmaße heran: „Manchmal hab ich auch unterwegs trainiert und mit einer Cola-Dose auf dem Parkplatz geübt,“ erzählt Burzynski. Das Turnier verlangt den Fahrern von Solo-LKW, Überlandbus, 40 -Tonnen-Sattelzug oder Leicht-LKW Geschicklichkeit und Augenmaß ab: Mit acht Metern Abstand zum Kontrollpunkt anhalten - auf den Zentimeter genau. Höhe des eigenen Fahrzeugs einstellen. Türchen öffnen durch hautnahes Heranfahren an einen Bügel, um nur einige Aufgaben zu nennen. Manchmal entscheiden Millimeter, ob der entscheidende Kontakt ausgelöst und den Zuschauern per Lampe oder Hupe mitgeteilt wird. Ein Radfahrer ist mit 1,20 Meter Sicherheitsabstand zu umfahren. Eine Sandbahn neben dem Mann aus Pappmaschee zeigt den Schiedsrichtern die jeweilige Fahrgenauigkeit des Turnierbrummis. Gestern wurden Rad und Pappfahrer von einem Truck niedergewalzt: Der Turnierteilnehmer fiel mit 5.000 Strafpunkten sofort aus dem Rennen.

Ein Bundeswehr-Fahrschullehrer war begeistert von den Übungen: „Das müßte Bestandteil von Fahrprüfungen für LKW -Fahrer werden.“ Eine bundesweit agierende Spedition führte solch ein Turnier als quasi „Betriebsfest“ für ihre 70 Fahrer ein. Der Erfolg neben dem Spaß: Entsprechende Beulen und Kratzer an ihren Sattelzügen gingen seither um 40 Prozent zurück.

ra