Zwei aus der Klischeekiste

Beim 3:2 gegen Nürnberg machen die neuen Bayern-Stürmer Mihajlovic und McInaly die Tore  ■  Aus München Herr Thömmes

Die beiden hätten ja wirklich ein wenig auf den Putz hauen können, wie sie frisch geduscht und gefönt aus der Umkleidekabine kamen, doch Radmilo Mihajlovic und Alan McInaly erklären ihren ersten Auftritt um Bundesligapunkte zu einem ganz normalen Arbeitstag. „Es ist die Aufgabe eines Stürmers“, sagt der Jugoslawe artig, „Tore zu schießen“, und der Schotte ist weit davon entfernt, im Überschwang die Zahl der von ihm anvisierten 15 Saisontore aufzustocken.

Vielleicht hätte den zwei Neuen im Bayern-Dreß einfach jemand vermitteln sollen, was sie da soeben Beachtliches vollbracht hatten: drei Tore, alle erzielt von Angreifern, das hat gefehlt in der vergangenen Runde beim Meister, weshalb die Herren Wohlfarth, Ekström und Wegmann häufig in der Kritik standen und sich anhören mußten, ihre mangelnde Treffsicherheit mache die Lücke des FC Bayern zu den europäischen Spitzenclubs aus.

Jene zu schließen, investierten die Münchner 5 Millionen Mark: 3,2 gingen an Aston Villa, 1,8 an Dinamo Zagreb, um je einen landestypischen Vertreter der Spezies Fußballer an die Isar zu holen. Wie ist er denn, der Schotte, der Jugoslawe? Groß und kompakt gewachsen, blondes Kurzhaar, kantiger Schädel, gradlinig im Spiel der eine, dunkles Wellenhaar, schlitzohrig und spielerisch elegant der andere? McInaly und Mihajlovic entsprechen all dem so sehr, als hätte Hans W. Geissendörfer für die Lindenstraße zur Besetzung zweier Rollen wieder einmal ganz tief in die Klischeekiste gegriffen.

Da paßt auch ins Bild, wie beide den Ball ins Tor beförderten. Zweimal (30./46.) tat McInally nichts anderes, als die Pflichtaufgabe eines Mittelstürmers zu erfüllen: zur rechten Zeit am rechten Ort zu stehen und das Leder über die Linie zu drücken. Und Mihajlovic verriet in der letzten Spielminute schnelle Auffassungsgabe und Gefühl: Ein Abschlag von Aumann landet vor seinen Füßen, Köpke steht weit vor dem Tor, unerreichbar landet der Heber aus gut 30 Metern im Kasten.

So konnte der Jugoslawe zumindest einmal und auch noch entscheidend Aufsehen erregen, ansonsten werden seine Mitstreiter von Trainer Jupp Heynckes aufgefordert, ihn „häufiger und schneller anzuspielen“. Weil vieles an ihm vorbeilief, während McInally neben seinen Toren noch andere gute Szenen hatte. Gleich in der 7. Minute beispielsweise, als Nürnbergs Abwehr einen Ball vertändelt, umkurvt er eiligen Schritts zwei Gegner, um dann an Köpke hängenzubleiben, und als Kögl mit scharfem Schnitt in den Strafraum flankt, steigt er hoch wie weiland Dieter Hoeneß und zieht den Torhüter per Kopfball kräftig in die Länge (64.).

Nur mit der Kooperation zwischen den Stürmern mangelt es noch, was diese wie Heynckes auf „fehlende Abstimmung“ zurückführen, keinesfalls auf Sprachschwierigkeiten. Was braucht es denn, sagt der Schotte, außer „links, rechts, Abseits“. Bei den anderen Bayern, die sich fließend unterhalten können, war das spielerische Verständnis auch nicht besser.

Die Abwehr zum Beispiel, deren furchteinflößende Namen Augenthaler und Pflügler nun noch um Jürgen Kohler erweitert wurde, konnte allein Souleyman Sane immer wieder in Konfusion stürzen. Der kam an jeden hohen Ball, war schneller als alle drei zusammen, leitete mit geschickter Täuschung das 1:1 in die Wege, wobei Hausmann im Alleingang souverän Aumann ausspielte (40.), zirkelte Sekunden später einen Bogenball an den Pfosten und verpaßte andere gute Möglichkeiten nur knapp. Selbst der eingewechselte Nachwuchsspieler Frank Türr wühlte sich respektlos durch die routinierten Recken zur Torchance (80.), und kurz darauf hinderte ihn weder Augenthaler noch Pflügler beim Ausgleich.

Fünf Tore mußte Aumann damit passieren lassen beim Supercup gegen Dortmund und jetzt am Samstag, für Franz Beckenbauer ein Zeichen, daß es den befürchteten Alleingang der Bayern nicht geben wird, und Heynckes gemahnte der Widerstand des vermeintlichen Absteigers aus Franken an eine alte Trapperweisheit: „Du sollst das Fell des Bären nicht verteilen, bevor der Bär erlegt ist.“ Böse Worte bekamen seine Verteidiger ohnehin nicht zu hören. „Die Abwehr beginnt im Sturm“, was seinen fremdsprachlichen Neuen zu vermitteln mehr Worte bedarf als nur links, rechts, Abseits.

So aber standen die Mittelfeldspieler der Bayern „oft zwischen zwei Leuten“ (Heynckes) und ansonsten neben der Kappe, wiewohl es sich um Kandidaten für Beckenbauers Auswahl handelt: Reuter, Thon, Dorfner, Kögl, Schwabl, mit ein paar netten Einzelaktionen jeder, aber zusammen ging nichts. Viel auffälliger war da schon ein Martin Schneider auf der Gegenseite, der einfach aber wirkungsvoll seine Kollegen einsetzte, und später auch Hausmann.

Kein Wunder, daß Hermann Gerland, der Trainer, haderte, weil er „alles riskiert, sogar den Libero aufgelöst, und doch alles verloren“ hat. Und Heynckes sah bei den seinen nur „müde Beine“, „keine Ideen“. Aber er hatte ja den Mihajlovic, und den McInally vor allem, der sich über die Frage, wie er denn mit dem so ganz anderen Spiel in der Bundesliga zurechtkomme, ohnehin nur wundern kann. Ein bißchen langsamer sei es, taktischer zumal, aber letztlich „ist es doch das gleiche Spiel wie überall. Der Ball muß ins Netz, that's it.“

Der Mann hat fast Herbergerschen Tiefgang.

MÜNCHEN: Aumann - Augenthaler - Grahammer, Kohler, Pflügler

-Kögl. Dorfner (69. Schwabl), Reuter, Thon (79. Flick) Mihajlovic, McInally

NÜRNBERG: Köpke - Dusend - Diettwar (75.Türr), Philipkowski

-H.J. Brunner, Metschies, Schneider, Hausmann, Drews (68. Kristl), Sane, Klein

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