Auch Hamster flüchten vor der Gartenschau

Die Bundesgartenschau macht es niemandem recht / Tiere flüchten massenhaft vor Lärm und Leuten / Künstliche Wildwiesen demonstrieren Umweltbewußtsein / Rabattenliebhaber kommen nicht auf ihre Kosten / „Ist ja wie zu Hause“  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Im hohen Gras zwischen den kräftigen, monumentalen Steinskulpturen im Garten der Bildhauerin Marita Kaus, zwischen Bäumen und Büschen tummeln sich seltene Tiere. Sie sind dort nicht heimisch, sie sind auf der Flucht, denn das Grundstück der Marita Kaus grenzt direkt an das Gelände der diesjährigen Bundesgartenschau (Buga) im Frankfurter Niddatal. 4.150 Meter Zaun grenzen das 90 Hektar große Areal nach außen ab, auf dem laut Katalog seit Ende April „ein 171tägiges Nonstop-Programm“ geboten wird. Da schmettern von morgens bis abends Kirchenchöre, tröten Trachtengruppen, tschingderassen Jazzer und schnulzen Schlagersänger. Am vergangenen Wochenende übte ein Geschichtsverein im Originalkostüm hessen-casselscher Soldatenwerber Krieg mit donnerden Geschützen, bis ein gnädiger Regenguß die Störenfriede in die Unterstände trieb.

Die Tiere sind es offensichtlich leid. Die umliegenden KleingärtnerInnen, ebenso wie die für die Gartenschau vertriebenen Laubenpieper und Anwohner oft erbitterte Gegner des 220-Millionen-Spektakels, berichten seit Wochen von einer Tierinvasion aus dem Buga-Gelände. Enten kommen geflogen, Eichhörnchen emigrieren dutzendweise, Maulwürfe buddeln sich zielstrebig fort von dem „penetranten Rummel“. Marita Kaus sieht die Massenflucht allerdings nicht mit Begeisterung. Sie berichtet, daß stärker bedrohte Tierarten, die vorher in ihrem Garten lebten, inzwischen ganz aus der Umgebung der Gartenschau verschwunden sind. Der Hamster ist weg, der Pirol abgehauen, Bunt- und Grünspecht haben sich schon lange nicht mehr blicken lassen.

Dabei ist diese 19. Bundesgartenschau zwar eine der teuersten, aber trotzdem weit weniger rabattenrepräsentativ als viele ihrer Vorgängerinnen. Äcker, Kleingärten und Wiesen mußten nur in wenigen Bereichen den üppig-bunten Kurparkbepflanzungen weichen, in denen farblich abgestimmte Begonien sich Blüte an Blüte drängen. In den fünf von KünstlerInnen entworfenen „Charaktergärten“, der „Schau der Gärten“, von einem Fernsehmoderator als „Schaudergärten“ vorgestellt, drängt sich Umweltbewußtsein.

Weite Flächen des Geländes, das nach der Gartschau in einen 170 Hektar großen Volkspark umgewandelt werden soll, scheinen der Natur eine Chance zu geben. Das Ginnheimer Wäldchen, seine mit Wildkräutern bepflanzten Ränder, die üppigen Wildstaudenbeete mit Pflanzen aus aller Welt rund um den 50.Breitengrad, die Halle mit Dach- und Fassadenbegrünungen stimmen versöhnlich, wenn da nicht diese Unmenge „parkähnlichen Erlebnisraums“ wäre, aus denen die „Wildwiesen“ - Betreten verboten - herausragen. „Das Erlebnis hier ist“, sagt ein Frankfurter, „sich zu erinnern, wie es vorher war“, nämlich - eben - Wildwiesen satt, ohne Betreten verboten.

Doch die Geschmäcker sind verschieden. In Betrachtung des „Unkrauts“ versunken, teilt ein ärgerlicher Familienvater seinen Lieben mit, „dafür“ hätte er seine 12 Mark Eintritt nicht bezahlt. Mit wenig Humor sehen wiederum vertriebene Kleingärtner jene Mustergärten an, die ausgerechnet die Geschichte der Kleingärten seit dem vorigen Jahrhundert dokumentieren sollen. „Hier gibt es ja nur“, mault es wieder aus der anderen Ecke, „Obst und Gemüse. Das hab‘ ich auch zu Hause.“ Und dann ist da noch der künstliche Bach. Gartenschaugegner erstritten, daß das mit Plastikfolie unterlegte Gerinnsel nicht in Betrieb genommen werden durfte. Dennoch mit - stehendem - Wasser gefüllt, entwickelt es sich zu einem sumpfigen Mäander durch das Niddatal.

Das durchaus liebenswert Provisorische, das Verwilderte, Biotopische der Gartenschau ist, dies vergessen die Gegner nicht, mit Millionenbeträgen und dem Umwälzen einer ganzen Region durch Erdarbeiten erreicht worden. Viele Kräuter wachsen auf künstlichem Untergrund. An ihren besten Stellen sieht die Gartenschau, resümieren Gegner, „fast aus wie vorher auch. Wozu also der ganze Ärger?“ Ketzerische Stimmen richten sich auch schon gegen die neue rot-grüne Stadtregierung, die eine „teure“ Renaturierung des Geländes im Programm hat. Einfach den Zaun weg, das Gerümpel der zahlreichen Imbißbuden, Zelte und Freizeitgeräte einsammeln und alles wieder wachsen lassen, schlagen sie vor.

Auch die finanziellen Erwartungen der Organisatoren der 220 -Millionen-Mark-Schau haben sich bisher nicht verwirklichen lassen. Nicht einmal die Hälfte der angestrebten Besucherzahl wurde bisher erreicht.

Das Konzept, das halbherzig zwischen opulenten Rabatten und künstlicher Wildwiese schwankt, macht es wohl niemandem so richtig recht. Das interessierte Fachpublikum kommt noch am ehesten auf seine Kosten, wenn es eifrig Namen und Bestelladressen der im Gartenbautrend liegenden wilden Stauden notiert. Den größten Zuspruch hat das Feld der Friedhofsgärtnereien und Steinmetze. Vor den Toren der Gartenschau stinkt derweil die begradigte Nidda in ihrem Betonbett vor sich hin wie eh und je.