„Die Chop-Suey-Gang“ - Tatort Bremen, 16.Teil

■ Der taz-Sommerkrimi in 32 Folgen / Aus einem Roman von Jürgen Alberts

Auch Joe Davids trat an diesem Morgen zu einem unangenehmen Gespräch an. Er hatte sich einen Termin bei Lang geben lassen, mußte nur eine halbe Stunde warten, bis er in dessen Zimmer saß.

„Es ist gut, daß sie zu mir kommen“, sagte der Kriminaldirektor, „mir ist unser Gespräch am Wochenende nicht aus dem Kopf gegangen, und ich hätte Sie sonst rufen lassen, damit wir uns nochmal ausführlich unterhalten. Worum geht es?“

Sag du doch, worum es geht, dachte Davids, aber er folgte der Aufforderung, sich als erster zu äußern.

„Ich möchte um zwei Wochen Urlaub bitten, damit ich in Ruhe...“ Er unterbrach sich, weil der Kriminaldirektor sein Gesicht verzog, als habe er auf einen schmerzenden Zahn gebissen. Hier bitte

das gefaxte

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„Gewährt, Kollege Davids, ganz meine Linie. Sie müssen erst einmal Abstand gewinnen. Ich hätte Ihnen auch etwas Ähnliches vorgeschlagen.“

Was konnte es da denn Ähnliches geben, dachte Davids.

Jahrelang hatten die beiden Polizisten nichts miteinander zu tun gehabt, hatten sich nicht mal ge

grüßt, wenn sie sich sahen. Seitdem Lang Matthies ablöste, waren sie in der morgendlichen Besprechung zusammen, aber ansonsten kein Kontakt. Nun war es schon das zweite Mal, daß eine fast kollegiale Atmosphäre entstand, die Davids eher unlieb war.

„Und dann möchte ich auf einem Punkt bestehen, der mich doch sehr beschäftigt. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß mein Geschlechtsleben nichts mit meinem Dienst zu tun hat. Ich bin deswegen kein schlechterer Kommissar, nur weil ich schwul bin. Und ich verbitte mir jegliche Diskriminierung deswegen. Es wird wohl nicht ausbleiben, daß man jetzt anfängt, im Präsidium darüber zu reden, aber ganz gleich, es ist und bleibt meine Sache. Daß wir uns da richtig verstehen.“

Joe Davids hatte hastig gesprochen, ernst, ohne abzusetzen, und er spürte eine gewisse Erleichterung.

„Gut, daß Sie das so ausdrücken,

Kollege Davids. Das habe ich vorhin gemeint, als ich sagte, mir sei am Wochenende das Gespräch nicht aus dem Kopf gegangen, genau das.“

Er lügt, ohne rot zu werden, dachte Davids, aber so kommst du mir nicht davon.

Er wurde lauter: „Ich finde im Sinne einer kollegialen Zusammenarbeit, und ich erinnere mich ganz genau, wie Sie in Ihrer Antrittsrede mehrfach davon gesprochen haben, wie sehr Ihnen ein kollegialer und keineswegs hierarchischer Stil liegt, da wäre es angebracht gewesen, mir sofort, als Sie meine Mitarbeit am Fall des abgebrannten China-Restaurants ablehnten...“ Davids verhedderte sich.

Der Kriminaldirektor nickte die ganze Zeit, wie eine Puppe mit Wackelkopf.

„Richtig“, sagte er von Zeit zu Zeit, „richtig.“

Ich brauche Ruhe, dachte Davids, viel Ruhe, um zu entscheiden,

was ich wirklich will. Er wußte, wie schwer es in Zukunft werden würde, denn er kannte die hämischen Blicke, die verstörte Reaktion der Kollegen, wenn sie über Schwule sprachen. Wenn die Männerwitze gerissen wurden, die Tuntensprache nachgeahmt, wenn sie über den Gang schwuchtelten, ein Händchen nach links und rechts warfen. Er hatte sich zurückgehalten, hatte nicht gelacht. Das fiel nicht auf. Aber jetzt...

„Kollege Davids, ich finde es wirklich großartig, daß sie den Weg zu mir gefunden haben, denn ich glaube, gerade ich, der viele Jahre für Personalfragen zuständig war, der ja nicht nur den täglichen Kleinkram zu erledigen hatte, sondern ich habe durchaus einige Problemfälle zu lösen gehabt, Scheidungen, wissen Sie ja selbst, wie oft Kollegen -Ehen auseinandergehen, Alkoholiker, Tablettensüchtige...“

„Und jetzt auch noch einen Schwulen, was, das wollten Sie doch sagen“, Joe Davids fuhr aus der Haut, „genau das ist die Haltung, die ich erwartet habe. Jetzt auch noch einen Schwulen, ein Problemfall mehr.“ Er lachte laut. „Aber Sie werden ja mit diesen Problemfällen fertig, Sie wissen, wie mit dem Personal umzugehen ist, was?“

Der Kriminaldirektor schnaubte.

„Ich verstehe nicht, warum Sie sich so erregen, Kollege Davids, ich will Sie nicht diskriminieren. Das kann ich Ihnen schriftlich geben, wenn sie wollen.“

„Was würde das ändern“, sagte Davids.

Er drehte sich um.

Verließ das Büro.

Die Tür fiel ins Schloß.

Den seh‘ ich zwei Wochen lang nicht mehr, dachte Davids, wenigstens zwei Wochen.

Fortstzung folgt morgen