„In dem Moment ging das total ab.“

■ Das 35te Mitglied im Hochwohlerlauchten Culture Club sind eigentlich drei: Das Weser Label: Label-Senior Fabsi und die Mimmi-Kolleginnen

Eigentlich könnte die Bremer Plattenfirma Weser Label auch Mauer Label heißen. Denn von der Weser ist das Oslebshauser Einfamilienhaus, in dem Claus Fabian, 33, besser bekannt als Fabsi, lebt und arbeitet, weit entfernt. Dafür fällt der Blick sofort auf die häßliche Mauer der JVA Oslebshausen, rot und stacheldrahtbestückt. „Gar keine schlechte Gegend hier“, meint Fabsi, „hier haben wir unsere Ruhe und können arbeiten. Eine Menge Leute denken, daß Musiker den ganzen Tag am See rumhängen und die Beine hochlegen. Das ist überhaupt nicht drin.“

Eigentlich kommt der eloquente Fabsi aus Düsseldorf, wo er als Medizinisch Technischer Kaufmann seinem Lebenserwerb nachging. Daneben machte er schon seit langer Zeit Musik, als Schlagzeuger bei ZK, aus der später unter anderem die Toten Hosen und auch die Mimmis hervorgingen. „Von Düsseldorf ging ich dann 1982 nach Bremen, obwohl das schon ein schwerer Schritt war. Die Mentalität hier ist eben etwas ganz anderes.“ Slipeinlage hieß die Punkformation zunächst, die Fabsi mit Elli und zwei weiteren gründete. „Ein genialer Name für eine Band, aber das kauft niemand. Also nannten wir uns fortan die Mimmis. Ich hatte schon immer vor, mal eine Fußballsingle zu machen, was lag da näher als einen Song über Werder aufzunehmen? Das war damals eine echt gute Mannschaft, auch wenn ich eigentlich Fortuna -Fan bin. Werder war zu der Zeit gerade Zehnter, da haben wir einfach gesungen Deutscher Meister wird der SVW. Und sie sind Zwei

ter geworden. Als wir uns dann fragten, auf welchem Label wir diese tolle Scheibe rausbringen, haben wir einfach ein eigenes gegründet, das Weser Label. Das klang irgendwie ländlich und hatte auch was mit der Stadt zu tun.“

Bei einer Platte blieb es dann nicht. Freunde und Bekannte aus anderen Bands fragten an, ob sie nicht auch ihre Platten in Bremen

veröffentlichen können. „Das war keine schlechte Idee, aber ich bin dann doch noch einmal in meinen alten Beruf zurückgekehrt. Dieser Jungunternehmer hat uns aber nur abgezockt. Da habe ich kurzerhand in den Sack gehauen und habe Ende 1984 das Label offiziell als Betrieb angemeldet.“

Fabsi wurstelte sich so durch, viel Geld war mit seiner Unternehmung vorerst nicht zu machen, an der neben Elli auch die Bassistin Sylke teilnahm. „Viel Geld hatten wir nicht, aber dafür eine Menge Arbeit, und einen Hit

konnten wir auch nicht vorweisen. Wenn einmal bei einer Platte etwas übrigblieb, wanderte das sofort wieder zu den kleinen Bands, die nur Miese einspielten. Das änderte sich allerdings, als die Goldenen Zitronen mit Der Tag als Thomas Anders Starb herauskamen. Da standen auf einmal Bild und Bravo und sonstwer auf der Matte. In dem Moment ging das total ab.“

In der folgenden Zeit gingen noch ganz andere Sachen ab. Immer mehr Bands, darunter auch eine englische (The Lurkers) und

eine französische (Ludwig von 88), und T-Shirts erweiterten das Label-Programm. Sie sind in der Zwischenzeit zum wichtigsten finanziellen Standbein des Drei-Personen -Betriebes geworden, die wie die Schallplatten über eine Mail-Order-Liste bis nach Österreich und in die Schweiz vertrieben werden. Neben einem Michael-Jackson-Hemd, auf dem der Amerikaner seinen Affen von hinten angeht, erlangte das Barschel-Motiv aus der Badewanne eine überregionale Berühmtheit. „Wir wollten nur, das ein T-Shirt

mal so richtig kulturell wird, aber es hat nur wahnsinnigen Ärger gegeben. Man hat uns vorgeworfen, wir hätten das nur aus Geldgier gemacht, aber letztendlich haben wir nur draufgezahlt. Ende 1985 haben wir das herausgebracht und dann ging der Popanz los. Als es im Kölner Express abgedruckt wurde, hat sich niemand darum gekümmert, aber im Januar 86 hat es Bild entdeckt. Die riefen hier morgens an und haben mich richtig kalt erwischt. Am nächsten Morgen war es drin, da war ich zum ersten Mal nicht konsequent genug, um die voll abzublocken und es ging noch weiter. RTL Plus stand vor der Tür, Buten un Binnen hat hier gefilmt aber nur auf Panik gemacht. Der Stern hat sofort gegen uns prozessiert, und der Staatsschutz hat bei uns alles durchsucht. Sie haben aber nur vier gefunden, es waren ja auch nur 123 gemacht worden. Anhand der Nachnahmescheine haben die jeden Käufer entweder angeschrieben und ihnen mitgeteilt, daß so etwas verboten ist oder bei Mehrabnehmern gleich die Kollegen vorbeigeschickt. Meinen Siebdrucker haben sie verfehlt und sind nebenan in einen Scherzartikelladen rein. Die waren natürlich schwer überrascht, als die Behörde da zwischen Niespulver und Joke -Artikeln nach dem toten Barschel in der Badewanne suchten. Der Stern konnte uns nichts, aber bei Freya Barschel haben wir uns in aller Form entschuldigt, wir wollten ihre Familie ja nicht beleidigen, sondern die politische Situation dokumentieren. Mit der hätten wir sogar klarkommen können, aber von Bock und Pollach (Oberstaatsanwalt) wollte das unbedingt durchziehen. Also haben wir dann an die Lübecker Krebshilfe gezahlt. Jetzt gibt's das verbotene Hemd ohne Bild mit dem Aufdruck „Geschmacklos“ und allen einstweiligen Verfügungen drauf.“ Jürgen Franck