Irrfahrt im Urbanhafen

■ Bürgerbeteiligung verhinderte Anlegen eines Restaurationsschiffs im Kreuzberger Urbanhafen / „Wir leiden schon genug unter Reisegruppen“, so die Anwohner / Das 85 Jahre alte Segelboot durfte nun am gegenüberliegenden Karl-Herz-Ufer vor Anker gehen

Die Anlegestelle schien ideal: eine kleine Ausbuchtung, da wo früher der Luisenstädtische Kanal in den Urbanhafen mündete. Doch die „Van Loon“, ein 85 Jahre altes Segelboot, inzwischen zu einem Restaurationsschiff umgebaut, durfte nicht vor Anker gehen. Die Anwohner des Fraenkelufers protestierten. Frank Sahner, Eigentümer der „Van Loon“, wechselte ans gegenüberliegende Karl-Herz-Ufer. Dort, wo tagsüber die Patienten des Urbankrankenhauses in Bademänteln flanieren, eröffnete er vor vier Tagen sein Cafe-Bistro -Boot.

„Für mich wurde es Zeit, an Land zu gehen, und da ich immer was mit Schiffen gemacht habe, wurde es wieder ein Schiff“, erklärt der wieder nach Kreuzberg zurückgekehrte Schiffsliebhaber. Acht Jahre hatte er bereits hier gelebt, seine Frau, mit der er das Schiff gemeinsam betreibt, sogar zwölf Jahre. Vor einem Jahr entdeckte er den ehemaligen holländischen Frachtensegler in Groningen, wo er als Wohnboot vor Anker lag. In Eigenarbeit wurde die einmastige Groninger Tjalk, mit der früher Torf, Käse, Holz und Getreide befördert wurden, nach alten Plänen restauriert und zu einem Gastronomieschiff mit 30 Plätzen umgebaut.

„Wenn das Boot nicht so schön renoviert wäre, hätten wir bestimmt keine Genehmigung bekommen“, erklärt Sahner. Das bestätigt auch der zuständige Senatsmitarbeiter der Umweltverwaltung. „Wir haben uns das Boot angeschaut, und es sah alles ganz vernünftig aus“, begründet Bernd Hofmeister die Ausnahmegenehmigung, die der „Van Loon“ schließlich erteilt wurde. Aus Gründen des Umwelt- und Gewässerschutzes würden solche Genehmigungen eigentlich schon seit Jahren nichts mehr erteilt: „Wir arbeiten eigentlich daran, das abzubauen“, heißt es. Auch der Wirtschaftssenator sei jedoch der Auffassung gewesen, daß das an die Kanalisation angeschlossene Boot eine Bereicherung des Angebots in Kreuzberg darstellen würde.

Die Anwohner des Fraenkelufers waren jedoch anderer Meinung. In der Erneuerungskommission (EK) Kottbusser Tor sprachen sie sich gegen die „Van Loon“ aus. Eine Bewohnerversammlung wurde organisiert und schließlich abgestimmt - gegen das Bistroboot. Sie würden schon genug unter Berlintouristen und Reisegruppen leiden, erklärten die Fraenkelufer-Bewohner, und wollten nicht auch noch den Lärm der Schiffsbesucher ertragen. Man habe schon genügend schlechte Erfahrungen mit dem vis-a-vis ankernden Kneipenschiff „Pik-As“ gemacht. „Die haben sogar behauptet, unser Boot würde die Aussicht aufs Wasser versperren“, erklärt Sahner.

Mit den Instrumenten der Planungsdemokratie und Bürgerbeteiligung gut vertraut, setzten die Bewohner des Fraenkelufers sich schließlich durch. Das Nachsehen hatte die ebenfalls zur Bürgerversammlung geladenen Bewohner der Neubauwohnungen am Böcklerpark. „Die alten Leute fanden das mit dem Schiff eigentlich ganz schön“, erklärt Hans Göhler, Geschäftsführer der Erneuerungskommission und Mitarbeiter im Stadtplanungsamt des Bezirksamts Kreuzberg.

-guth