ZDF: Kuhhandel mit Kirch

■ Mainzer Sender im Würgegriff des Medienmoguls / Leo Kirch schnürt teure Filmpakete

Das ZDF befinde sich „im Würgegriff des Medienmoguls“, der Einfluß Leo Kirchs reiche so weit, daß die öffentlich -rechtlichen Sendeanstalten „Millionen für den Schnee von gestern“ bezahlen und daß Kirch viel zu viel „Geld für seine alten Schinken“ kassiere. Mit diesen Schlagzeilen wiesen schon 1976 'Spiegel‘ und 'stern‘ auf die verhängnisvolle Monopolstellung des wichtigsten Programmlieferers des deutschsprachigen Fernsehens hin. Heute nun schlägt die Springer-Presse Alarm: „Das ZDF-Millionen-Ding mit Leo Kirch“ - so titelte 'Bild‘ am Wochenende und berief sich dabei auf die Enthüllungen des Buchautors Henno Lohmeyer (Die Macher und die Mächtigen) - zeige, daß der Münchner Filmhändler durch mangelnde Transparenz in seinem weitverzweigten Firmennetz das ZDF mittlerweile in völlige Programmabhängigkeit gebracht habe und deswegen die Preise für angebotene Filmpakete in unverschämte Höhen teiben könne.

Was war geschehen: Der Münchner Unternehmer Leo Kirch ist schon seit den 50er Jahren im Filmgeschäft tätig. Zu einer Zeit, wo noch niemand daran glaubte, daß Programmstunden zu einer heißumkämpften Ware werden könnten, kaufte Kirch zuerst im bescheidenen Rahmen, nach Gründung seiner Beta/Taurus-Filmfirma dann systematisch den Spielfilmfundus großer Produktionsgesellschaften vor allem in den USA auf. Dazu sicherte er sich die Ausstahlungsrechte für Unterhaltungshows, billige Kinderfilme und Musikaufzeichnungen. Mittlerweile verfügt Kirch nach eigenen Angaben über die Rechte an 15.000 Spielfilmen und insgesamt ca. 50.000 Stunden Fernsehprogramm.

ARD und ZDF griffen von Anfang an bereitwillig auf dieses vielfältige Angebot zurück, ersparten Kirchs großangelegte Filmeinkaufsaktionen ihnen doch eigene aufwendige Verhandlungen und Vertragsabschlüsse mit den Filmgesellschaften. Kirch lieferte ihnen jederzeit Programmware, einschließlich der Beschaffung und technischen Bearbeitung der Filmkopien. Das entsprach ganz dem Jahresetat-Denken der Fernsehanstalten, in dem langfristige Investitionen und große Filmeinkäufe nicht vorgesehen waren. Mit den deutschen Fernsehanstalten als Abnahmegaranten konnte Kirch unterdessen ein riesiges Filmhandelsmonopol aufbauen. Mittlerweile verfügt er über ein weitgespanntes Netz von mindestens 20 verschiedenen Anbieterfirmen, Branchenkenner sprechen sogar von der doppelten Zahl. Genau weiß es keiner.

„Die beherrschende Marktposition der Großhandelsgruppe Beta/Taurus ist unmittelbar die Folge des jahrzehntelangen monopolartigen Fernsehbetriebes in der Bundesrepublik Deutschland“, schreibt Gerhard Naeher in seinem Buch Der Medienhändler über Kirch. Nun sind die beim letzten ZDF/Kirch-Deal (1982/83) eingekauften Filmpakete beim ZDF abgenudelt. Bis 1993/94 seien alle Filme mindestens einmal ausgestahlt worden. Neuer Programmstoff muß her, und den gibt's eben fast ausschließlich über Kirch. Durch die Angriffe der Springer-Presse, Verhandlungen mit dem Münchner Filmhändler stünden bereits kurz vor dem Abschluß, fühlt sich das ZDF nun zu einer Gegendarstellung genötigt. Keinesfalls hätte Kirch die Verträge mit dem Sender bereits in der Tasche, vielmehr würden gerade die Angebote aller bekannten Lizenzhändler eingeholt. Die Enthüllungen über mögliche Firmenverflechtungen würden vom ZDF-Hausjustiziar geprüft.

Doch so überraschend können die Vorwürfe für ZDF -Intendanten Stolte nicht sein, entsprechen sie doch exakt den Vorwürfen, die schon 13 Jahre vorher durch die Presse gingen. Leider hat das ZDF in dieser Zeit wenig unternommen, um sich aus der fatalen Abhängigkeit zu dem Medienmogul zu lösen. Selbst die Tatsache, daß sich Kirch mehr und mehr zum Konkurrenten entwickelt - Kirch hält große Anteile der privaten Sender SAT 1, Pro 7 und Tele 5 -, hat den Geschäftsbeziehungen keinen Abbruch getan. So wird man wohl auch diesmal, wenn auch zähneknirschend, dem großen Medienhändler das Filmpaket abkaufen, zu Spitzenpreisen, versteht sich. Das Monopolproblem könnte nur dann aufbrechen, wenn die bestehenden Verträge der Kirch-Gruppe mit ausländischen Gesellschaften auslaufen. Bei der ARD hatte man das schon früher begriffen. 1983 schlug man das Kirch-Angebot aus und ging dort selbst einkaufen. 1.500 Filmtitel erwarb die ARD-Einkaufsgesellschaft Degeto damals in den USA an Kirch vorbei direkt bei der Studiogesellschaft.

utho