Giftschiff „Oostzee“ auf Landgang

■ Sturm treibt Giftschiff zurück in den Brunsbütteler Hafen / „Greenpeace“ kritisiert zu kleine Sicherheitszone / Hafenarbeitern wurde von Abbauprodukten übel / Engholm fordert zu internationalen Aktivitäten auf

Berlin (taz/ap) Seit gestern morgen liegt der holländische Giftfrachter „Oostzee“ wieder im Elbehafen von Brunsbüttel. Die leckgeschlagenen Fässer mit der hochgiftigen Chemikalie Epichlorhydrin, die ursprünglich auf einem Ankerplatz mitten in der Elbe entladen werden sollten, befinden sich nach wie vor an Bord.

Nach einer Entscheidung des Krisenstabs vom späten Montagabend begannen Hafenarbeiter gestern mittag mit dem Löschen der unbeschädigten Fässer des Zwischendecks. Ein Sturm mit Windböen bis Stärke zehn hatte zuvor die Arbeiten auf der Elbe unmöglich gemacht. Der Krisenstab verabschiedete sich damit von seinem ursprünglichen Plan, erst dann Löscharbeiten im Hafen zuzulassen, wenn die Giftkonzentration auf dem gesamten Schiff nicht über drei ppm (3 Teile Gift auf eine Million Teile Luft) liegt. Das Unterdeck mit einer Belastung von 15 bis 20 ppm soll nun statt dessen versiegelt werden und eine Sperrzone von 100 Metern um die „Oostzee“ die Sicherheit der Bevölkerung garantieren. Innerhalb dieser Sperrzone gilt ein Grenzwert von 0,15 ppm, bei dessen Überschreitung die Entladearbeiten unterbrochen und die Schiffluken geschlossen werden sollen.

„Greenpeace„-Mitarbeiter Thies lehnte als Beobachter der Krisensitzung die Sicherheitszone als viel zu klein ab. Der „ungestörte Hafenbetrieb“ habe im Krisenstab offenbar Vorrang vor der Sicherheit, erklärte der Greenpeace-Chemiker gegenüber der taz. Andernfalls hätte man problemlos den von seiner Organisation geforderten Radius von ein bis zwei Kilometern akzeptieren können. Dieser Sicherheitsabstand sei insbesondere für den Fall eines Unglücks unabdingbar. Die Umweltschützer denken angesichts der neuen Entwicklung an einen Rückzug aus dem Krisenstab.

Die acht Hafenarbeiter, denen am Montag morgen beim Entladen des zunächst als unbedenklich eingestuften Quarzsandes schlecht geworden war, haben vermutlich zwei Abbauprodukte des Epichlorhydrins eingeatmet. Das stellte sich im Verlauf der Krisensitzung heraus. Der „unabhängige Gutachter“ hatte im Quarzsand tatsächlich kein Epichlorhydrin nachweisen können, gleichzeitig jedoch einen anderen nicht identifizierbaren Stoff gefunden. Darüber schwieg er sich gegenüber der Kieler Landesregierung zunächst aus. Inzwischen wurden zwei Stoffe im Quarzsand nachgewiesen, die als Abbauprodukte von Epichlorhydrin gelten, wobei der Abbauweg der zweiten Chemikalie Dichlorpropanol selbst bei der Herstellerfirma Dow bisher unbekannt war.

Unterdessen hat der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Engholm die Bundesregierung aufgefordert, international auf eine Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen auf See zu dringen. Es sei eine erschreckende Vorstellung, „daß täglich Schiffe mit ähnlicher oder noch gefährlicherer Ladung die Elbe und den Nord-Ostsee-Kanal passieren, ohne besondere Deklaration, ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen, weil Fässer egal welchen Inhalts als harmloses Stückgut gelten“. Neben einer international abgestimmten Deklarierungspflicht, forderte Engholm die Einrichtung einer Ad-hoc-Expertengruppe aus Bund und Ländern zur Lösung schwieriger Schadensfälle.