Britischer Atommüll in Schacht Konrad?

Deutsch-britisches Abkommen im Zwielicht / Grüne fürchten, daß Teile der WAA Sellafield nach der Stillegung in Niedersachsen endgelagert werden / Bonn dementiert  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Entgegen wiederholter Dementis von Bundesreaktorminister Töpfer gibt es neue Hinweise, daß im Zuge der Atom-Kooperation mit der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield britischer Atommüll in der Bundesrepublik endgelagert werden soll.

In der am 25. Juli von Töpfer und seinem britischen Amtskollegen Spicer unterzeichneten „gemeinsamen Erklärung“ verpflichtet sich die Bundesregierung zur „Rückführung der bei der Lagerung, Wiederaufarbeitung, Entsorgung und Stilllegung im Zusammenhang mit den bestrahlten Brennelementen entstehenden Abfälle und Spaltstoffe“. Die Formulierung deutet an, daß radioaktiv kontaminierte Anlagenteile der Atomfabrik THORP in Sellafield nach deren Stillegung mindestens anteilsmäßig zur Endlagerung in die Bundesrepublik transportiert werden sollen. Für derartige Atomabfälle ist das umstrittene Endlager „Schacht Konrad“ bei Salzgitter vorgesehen. Sollte sich diese Interpretation des Abkommens bewahrheiten, wäre ein Konflikt zwischen der Bundesregierung und der CDU-Landesregierung in Hannover vorprogrammiert. Der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht und sein Umweltminister Werner Remmers haben die Endlagerung ausländischen Atommülls in „Schacht Konrad“ bisher stets abgelehnt.

Die Grünen im niedersächsischen Landtag, die zuerst auf die gewundene Formulierung in der „gemeinsamen Erklärung“ stießen, warfen der Bundesregierung am Montag abend vor, die „Europäisierung der Atompolitik“ konsequent auf Kosten des Landes Niedersachsen durchzusetzen. Dabei seien Ministerpräsident Albrecht und Umweltminister Remmers von Töpfer „knallhart ausgebootet“ worden, erklärte der grüne Abgeordnete Hannes Kempmann.

Remmers Sprecher Hermann Kues bestätigte gegenüber der taz, daß die entsprechende Passage in der deutsch-britischen Erklärung interpretationsbedürftig sei. Das Bonner Umweltministerium habe jedoch auf Anfrage erklärt, es gehe dabei nicht um die Rückführung ganzer Anlagenteile, sondern lediglich um Abfälle, die bei der Stillegung der WAA anfallen. Als Beispiele nannte Kues Abwässer oder Filterstäube. Unabhängig davon sei jedoch die Landesregierung „Herr des Genehmigungsverfahrens über Schacht Konrad“ und werde einer Einlagerung ausländischen Atommülls „unter keinen Umständen“ zustimmen. Sollte irgend jemand das Abkommen mit den Briten anders interpretieren, werde es dagegen in Hannover die „ganz große Koalition über die Ampelkoalition hinaus“ geben, beteuerte Kues.

Töpfer-Sprecher Huthmacher beteuerte, das Wort „Rückführung“ bedeute, daß nur zurückkomme, was zuvor zur Wiederaufarbeitung ins Ausland geschickt wurde: „Es wird keine Endlagerung ausländischer Abfälle in der Bundesrepublik geben.“ Zweifel bleiben dennoch: In einer bereits Anfang Juni unterzeichneten deutsch-französischen Vereinbarung zur atomaren Zusammenarbeit, die mit der deutsch-britischen Erklärung in weiten Passagen wortgleich ist, findet sich ausgerechnet in der entscheidenden Passage eine Abweichung. Für Huthmacher hat das „keine tiefere Bedeutung“.