Gesalzener Gartenbau

■ Streusalz auch im Sommer: Zehlendorfer Firma benutzt Sand-Salz-Gemisch im Gartenbau / Abfallprodukt von französischen Schießständen

Wenn die vier großen Bäume im nördlichen Teil des Schulhofes der Kreuzberger Hans-Sachs-Oberschule demnächst überraschend welken oder absterben, dann könnte das daran liegen, daß der Hof zur Zeit umgebaut wird. Die neuen Betonplatten werden von der Zehlendorfer Gartenbaufirma Gies nämlich auf einem Unterbau verlegt, der mit Streusalz versetzt ist. Völlig ungeschützt ruhen große Haufen des salzhaltigen Sandes neben den Bäumen. Geschäftsführer Lothar Gies spricht von einer „vollkommen harmlosen Sache“. Doch auch nach seinen Angaben ist der Kubikmeter Sand mit etwa zehn Kilo Streusalz versetzt; nach einem Anruf der taz brachte das Kreuzberger Gartenbauamt gestern eine Sandprobe ins Labor.

Der salzhaltige Sand, das bestätigte Gies gestern, ist eigentlich ein Abfallprodukt. Er stammt von französischen Schießständen in der Bernauer Straße in Tegel. Jedes Jahr wird dort frischer Salzsand zwischen die Holzbretter der Schießwände gefüllt. Auf diese Weise wollen die Militärs verhindern, daß die Wände im Winter gefrieren und die Kugeln als Querschläger zurückkommen. Gies wechselt das Sand-Salz -Gemisch jährlich aus. Weil es „schade wäre, das wegzuwerfen“, verwendet er es anschließend auf den Baustellen der Firma. Als Baustoff landete der Müll in diesem Jahr nicht nur auf dem Kreuzberger Schulhof, sondern auch auf einem Spielplatz in der Adolfstraße im Wedding und in einer Wohnsiedlung an der Neuköllner Aronsstraße.

Überall, so versichert Gies, werde der Sand mit Zement zu einer Art „Pflastermörtel“ zusammengerührt. Das Salz könne deshalb kaum ausgeschwemmt werden, zumal unter ihm noch eine Schotterschicht liege. Im Winter sei es sowieso gang und gäbe, den Sand mit 0,3 bis 0,5 Prozent Salz zu versetzen, damit das Baumaterial nicht einfriert.

Auch die Kasseler Kali & Salz AG, die das Streusalz liefert, hält die Salzmixerei für unbedenklich. Auf ihren Packungen rät sie allerdings, pro Quadratmeter höchstens zehn bis 20 Gramm „Auftausalz“ zu streuen. Diese Empfehlung gilt für asphaltierte Straßen; auf „Baumscheiben und anderen unbefestigten Grünflächen“ darf das Salz überhaupt „nicht gelagert werden“. Nicht einmal salzhaltiger Schneematsch soll den Bäumen zu nahe kommen. Rechnet man dagegen den Salzgehalt des Gies-Sandes um, dann liegen unter den in Kreuzberg verlegten Platten 150 Gramm Streusalz pro Quadratmeter.

Eine Entsorgung des salzigen Sandes ist für Gartenbauer Gies aber keine Alternative. „Kommt der Sand auf die Müllkippe, ist das auch nicht gut“, glaubt er. Das Kreuzberger Gartenbauamt will nun abwarten, bis am Montag die Ergebnisse aus dem Labor vorliegen. Bleibt es dabei, daß der Sand höchstens ein Prozent Streusalz enthält, hält der Bauleiter das für „vertretbar„; einen Blick in einschlägige Gutachten will er vorher allerdings noch einmal wagen. Neben einer Baustelle im Märkischen Viertel, auf der Gies den Salzsand im letzten Jahr verwendet hatte, soll es den Pflanzen dieses Jahr jedenfalls nicht mehr so gut gehen.

hmt