Auf den Spuren von Boris und Steffi

Wenige Schaulustige bei den „German Open“ der Rollstuhltennisspieler / Hoffnung auf den Tennisboom  ■  Aus München Ralf Köpke

Vom Tennisfieber, das eine Woche zuvor noch beim Davis Cup -Halbfinale zwischen Boris Becker & Friends gegen die amerikanischen Tennis-Asse in München grassiert hatte, war bei den German Open der Rollstuhl-Tennissportler in derselben Metropole nichts zu spüren. Bejubelten 12.500 Zuschauer in der ausverkauften Olympiahalle jeden Punktgewinn „unserer Tennis-Musketiere“, so verirrten sich nur wenige Schaulustige auf die Tennisanlage im Stadtteil Freimann. Dabei wurde zum Beispiel im Finale der Herren, das der Franzose Abde Naili gegen seinen Landsmann Thierry Caillier mit 6:4 und 6:1 gewann, sicherlich kein schlechterer Sport geboten. Topspin-Spiel, Returns und Volleys waren lehrbuchhaft. „Rollstuhltennis hat hierzulande noch einen geringen Bekanntheitsgrad“, sagt Bernd Hirsch. Er ist Präsident des Deutschen Rollstuhltennis-Verbandes (DRT), der im letzten Jahr gegründet wurde. Im DRT sind gerade einmal 14 Vereine und rund 150 Aktive organisiert.

Anders sieht es dagegen in den USA, dem Mutterland des Rohlstuhltennis, aus: Über 4.000 Aktive haben sich dem Sport mit der Filzkugel verschrieben. Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat sich aber auch in Europa in den letzten fünf Jahren ein „Rollstuhltennis-Zirkus“ etabliert. Es gibt Grand Slam-Turniere, es wird um Ranglistenpunkte gespielt und - der Kommerz läßt grüßen - um Preisgelder. Es hätte bei den Turnierveranstaltern anfangs Widerstand gegen die Siegprämien gegeben, erzählt Berndt Hirsch, der gleichzeitig auch die europäische Föderation leitet: „Aber wo steht geschrieben, daß Behinderte keine Preisgelder gewinnen dürfen?“

In München konnten 3.000 US-Dollar gewonnen werden. Eine bescheidene Summe im Vergleich zu den USA: Der Sieger des dortigen Grand Slam-Turnieres, das immer in Los Angeles stattfindet, erhält eine Kreditkarte von „American Express“, mit der er ein Jahr lang seine Spesen bezahlen kann. „Bis wir soweit sind, brauchen wir noch vier, fünf Jahre“, hofft Hirsch.

Den Kampf um die Preisgelder hat auch der Münchner Stefan Bitterauf aufgenommen. Als einer der ersten bundesdeutschen Rollstuhltennissportler hat sich der 24jährige entschlossen, Profi zu werden. Stefan Bitterauf, der erst seit 14 Monaten Rollstuhltennis spielt, zählt zu den Aufsteigern der Saison. „Er wird wohl am Jahresende zu den besten zwanzig in Europa gehören“, ist sich Jörg Schwahn sicher. Als einer der ersten bundesdeutschen Tennislehrer engagierte er sich für das Rollstuhltennis und gehört zu den besten Kennern dieser Szene. In seiner Heimatstadt mußte Stefan Bitterauf allerdings Lehrgeld bezahlen. Im Achtelfinale schied er gegen den späteren Finalisten Caillier mit 4:6 und 2:6 aus.

Fasziniert von ihren Kollegen zeigten sich die Bundesligaspieler vom MTTC Iphitos München. Nach einem Besuch bei den German Open luden sie Stefan Bitterauf und Jürgen Nagel, die bundesdeutsche Nummer 1, zu einem halbstündigen Demonstrationsspiel im Rahmen ihrer Begegnung mit Blau-Weiß Neuss ein. Über 1.000 Zuschauer verfolgten das Match der Rollstuhltennisspieler. „Das ist der Weg, wie wir bekannter werden können“, sagt Jörg Schwahn.

Da es beim Rollstuhltennis keine Schadensklassen gibt, wie in vielen anderen Behindertensportarten, und die Regeln mit dem „Normaltennis“ nahezu identisch sind (Einzige Ausnahme: Der Ball darf zweimal den Boden berühren), gibt Schwahn der neuen Sportart gute Entwicklungschancen. „Bei dem derzeitigen Tennisboom, den Boris und Steffi ausgelöst haben, erhoffen wir eine Sogwirkung.“