Extraprofite mit Leiharbeitern

Der schwäbische Automobil-Zulieferbetrieb August Läpple bekämpft in seinem südafrikanischen gnadenlos die Gewerkschaften / Jetzt trickste er mit dubiosen Leiharbeiterfirmen die 14 Mindeststandards der IG Metall aus / Firma wünscht sich so disziplinierte Gewerkschaften und Arbeiter wie zu Hause  ■  Von Morgenrath und Nachtigall

„Wir kommen jeden Morgen gegen sieben und warten bis zum Nachmittag. Manchmal geben sie uns Arbeit für ein oder zwei Schichten, aber meistens heißt es: Kommt morgen wieder.“ Die zwei Dutzend Frauen und Männer, die sich mit Wolldecken notdürftig gegen den kalten Wind schützen, lagern seit Januar vor dem Werkstor der August-Läpple-Filiale beim Ort Berlin, nahe der südafrikanischen Hafenstadt East London.

Täglich ziehen sie zu Fuß von ihren 30 qm großen Elendshütten über eine unsichtbare Grenze, die Berlin von der Ciskei trennt, einem von vier schwarzen Homelands, die nach südafrikanischem Sprachgebrauch „souveräne Staaten“, in Wirklichkeit jedoch Arbeitskräftereservate für die umliegenden weißen Industriegebiete sind.

Die Hoffnungen auf einen Tages- oder Wochenjob im Blechpreßwerk von August Läpple haben sich erhöht, seit der badenwürttembergische Automobilzulieferer exemplarisch vorexerziert, wie man die rapide wachsende Gewerkschaftsbewegung eindämmt und gleichzeitig noch Extraprofite aus dem Homelandsystem des Apartheidstaates zieht.

Nur eine Woche, nachdem Arbeitsminister Norbert Blüm im Juni in Johannesburg bundesdeutsche Großunternehmen für ihre Bereitschaft gelobt hatte, die mit Hilfe der IG Metall ausgehandelten 14 Mindeststandards anzuwenden und damit ein Minimum an Streikrecht und sozialer Absicherung zu garantieren, setzte das Läpple-Werk in Berlin am ersten Juli insgesamt 86 Gewerkschaftsmitglieder vor die Tür.

Die erst seit wenigen Monaten von der inzwischen zweitstärksten südafrikanischen Einzelgewerkschaft NUMSA organisierten Kollegen hatten sich in einem spontanen Streik gegen die Versetzung und anschließende Suspendierung eines Betriebsrates gewehrt. Er hatte an einer Gewerkschaftsveranstaltung während der Arbeitszeit teilgenommen. Ob solch ungewohnter Reaktion erbost, gab sich die Betriebsleitung nicht mit der Bereitschaft der Streikenden zufrieden, die Arbeit nach drei Tagen wieder aufzunehmen und ein Schiedsverfahren abzuwarten. Sie forderte von der NUMSA und jedem einzelnen Belegschaftsmitglied eine Verpflichtung zu unterschreiben, „künftig solche illegalen Aktionen zu unterlassen ... sowie allen Anordnungen des Managements Folge zu leisten“. Als sich die Arbeiter weigerten, folgte Aussperrung und Entlassung.

Mit Leiharbeitern Gewerkschaft ausgetrickst

Doch trotz des Rausschmisses der halben Belegschaft werden im Berliner Zweigwerk unvermindert Türen und Rahmen für die nahegelegenen Montagestraßen von Daimler Benz und Volkswagen gepreßt. Denn Läpple bat kurfristig die Leiharbeiterfirma „Uni System“ um Hilfe. Das von dem deutschstämmigen Manager Fritz Schönknecht geleitete Unternehmen, ist in der nur wenige Kilometer entfernten Ciskei registriert, wo das Marionettenregime von Lennox Sebe im Homeland Gewerkschaften schlicht verboten hat.

Der Versuch, mit Leiharbeitern von Homelandfirmen die erstarkenden schwarzen Gewerkschaften auszutricksen, ist bei Läpple nicht neu. „Bereits Ende letzten Jahres begann die Spaltung der Belegschaft“, berichtet der gefeuerte NUMSA -Betriebsrat Theodore Boboyi. „Plötzlich standen an derselben Maschine Kollegen mit regulären Verträgen und andere von Uni System. Sie haben Verträge mit eintägiger Kündigungsfrist und bekommen unabhängig von der Tätigkeit fünf Rand (circa vier Mark) die Stunde.“ Die Lohnskala für schwarze Arbeiter bei Läpple reicht von 5,37 Rand bis sieben Rand. Davon müssen in der Regel fünf- bis 14köpfige Familien leben.

Ein Blick in die Verträge der Leiharbeiter, die nun alle gefeuerten Gewerkschafter ersetzt haben, zeigt, daß Uni System und Läpple langfristig Hand in Hand arbeiten. „Wer vom August-Läpple-Werk für ungeeignet angesehen wird, kann mit einer Schicht Vorlauf entlassen werden“, heißt es dort wörtlich.

Uni System Chef Schönknecht ist unter seiner Ciskeier Telefonnummer auch gar nicht erreichbar. „Mr. Fritz finden sie im Läpple-Werk in Berlin“, richtet seine Sekretärin aus.

All das findet Heinz Teifel von der südafrikanischen Läpple -Zentrale in Pretoria keineswegs ungewöhnlich. „Leiharbeit gibt es doch schließlich überall, und außerdem sind die mit fünf Rand Stundenlohn verdammt gut bedient“, wehrt der schwäbische „Managing Director“ mit dem vieldeutigen Namen ab. Doch dem energischen Herren, der in seinem Büro stolz eine selbstgeschossene Kudu-Trophäe präsentiert, ist die Nachfrage sichtlich unangenehm.

Schließlich macht das Hauptwerk in Pretoria mit über 600 Beschäftigten gute Gewinne, und Teifel kommt gerade von einem Europa-Trip zurück, wo er Exportchancen für hier produzierten Autoteile ausgelotet hat. Da können Meldungen über dubiose Arbeitsbedingungen ungelegen kommen. Nein, keineswegs wolle man die Gewerkschaften aus dem Betrieb drängen. Nur sei man halt bei solch undiszipliniertem Verhalten zur Notwehr gezwungen. Auch solle die Leiharbeit eigentlich nur „Konjunkturschwankungen abfedern“. Ein Sockel von „vielleicht 70 oder 80 Prozent Festangestellten“ sei wünschenswert. Nach Informationen des Betriebsrates in Pretoria sind allerdings auch im Hauptwerk die Hälfte der Beschäftigten Leiharbeiter: Von einer Firma, die als Postadresse Bophuthaswana angibt - ein anderes „unabhängiges“ Homeland.

Unterdrückungsgesetzgebung

gut ausgenutzt

Selbst eine Verletzung der 14 IG-Metall-Mindeststandards kann Teifel „so ohne weiters nicht sehen“. Die habe man zwar nicht unterschrieben, stimme jedoch mit der Grundidee überein. „Wenn die Gewerkschaft auf unfairen Arbeitskampf verzichtet und aufhört, Politik in den Betrieb zu tragen“, meinte er. „Selbst unseren Leiharbeitern beschneiden wir nicht das Streikrecht. Das interessiert uns gar nicht. Die sind schließlich bei einer anderen Firma beschäftigt, und wir kaufen dort nur die geleistete Arbeitskraft, so wie wir von anderen Unternehmen Zulieferungen kaufen“, erklärt der Schwabe mit kaltschnäuziger Logik.

Auch sonst versteht er die Vorteile südafrikanischer Unterdrückungsgesetzgebung offenbar gut zu nutzen. Als die Arbeiter des Hauptwerkes mit „Bummelhilfe“ ihren entlassenen Kollegen in Berlin beispringen wollten, drohte Teifel laut NUMSA an, die Gewerkschaft für jeden Produktionsausfall finanziell haftbar zu machen. Denn dies ist eine Spezialität des jüngst reformierten Arbeitsgesetzes, dem die Gewerkschaften eben mit Hilfe der 14 Mindeststandards entkommen wollten.

Knapp drei Wochen nach der Entlassung der 86 Arbeiter aus Berlin hofft die Gewerkschaft nun auf Hilfe von außen. Zwar bedauerte die deutsche Botschaft in Gesprächen mit IG Metallern inzwischen die Methoden des Unternehmens, und auch Mercedes-Benz-Chef Christoph Köppke, der erst vor wenigen Tagen die Mindeststandards unterschrieben hat, sieht sich durch das Vorgehen seines Zulieferers Läpple in eine peinliche Lage gebracht, die NUMSA-Gewerkschafter erwarten wirkungsvollen Druck allenfalls von den Betriebsräten im badenwürttembergischen Mutterunternehmen.

Doch mit solcher Solidarität bräuchten sie gar nicht zu rechnen, erklärt Betriebschef Teifel den Betriebsräten: „Wenn wir hier so disziplinierte Arbeiter und Gewerkschafter hätten, wie bei uns zu Hause, dann bräuchten wir die ganze Leiharbeit nicht.“