Die Hizbollah, ihre Freunde und Konkurrenten

Die Grenzen zwischen der „Partei Gottes“ und den verschiedenen Entführergruppen im Libanon sind fließend  ■  Von Beate Seel

Berlin (taz) - „Es gibt nur einen Führer, Ruhollah (Chomeini), es gibt nur eine Partei, Hizbollah!“ lautete die Parole der Schlägergruppen, die nach dem Umsturz im Iran im Jahre 1979 Demonstrationen von Frauen und Linken in Teheran angriffen. Seit dem Aufschwung der schiitischen Bewegung im Libanon, bei dem das durch die Errichtung der Islamischen Rebublik Iran gestärkte Selbstbewußtsein eine Rolle spielte, gibt es auch dort die Hizbollah, die „Partei Gottes“.

Die Hizbollah ist eine der am wenigsten greifbaren und radikalsten Organisationen in der zersplitterten libanesischen Parteien- und Sektenlandschaft. Die armen schiitischen südlichen Vororte West-Beiruts gelten als ihre Hochburg, vor allem, nachdem die Konkurrenzorganisation Amal in einem Bruderkrieg die Hizbollah-Dörfer im Südlibanon, einem traditionellen Stammland der Schiiten, eroberte. Die Kontakte zwischen den südlibanesischen Schiiten und den religiösen Zentren dieser Minderheitsströmung des Islam in der iranischen Stadt Qom und Nadjaf im Irak reichen bereits Jahrhunderte zurück. Hier wurden zahllose libanesische Geistliche ausgebildet.

Neuer Aufschwung

Nach dem Sturz des Schah-Regimes erhielten diese Beziehungen neuen Aufschwung; zugleich setzte jedoch auch ein Reiseverkehr politischer und religöser Kader aus Teheran in umgekehrter Richtung ein: Im ostlibanesischen Baalbek errichteten iranische Revolutionsgardisten eine Art islamische Mini-Republik. Hier war auch das Hauptquartier einer Abspaltung von Nabih Berris Amal, der „Islamischen Amal“, die ideologisch Hizbollah näher steht. Neben den Botschaften in Damaskus und Beirut wurde Baalbek zu einem Zentrum iranischer Revolutionsexporteure. Libanon ist das einzige Land in der arabischen Welt, wo sie Fuß fassen konnten.

Es war der Widerstand gegen die israelische Besatzung, der im Sommer 1982 das Augenmerk der Weltöffentlichkeit auf die Schiiten im Südlibanon richtete. Im Jahre 1983 machte erstmals eine Gruppe „Islamischer Heiliger Krieg“ von sich reden und bekannte sich zu dem Anschlag auf die US-Botschaft in Beirut.

Seither traten immer wieder Gruppierungen mit klangvollen Namen wie „Revolutionäre Gerechtigkeitsorganisation“, „Heiliger Krieg für die Befreiung Palästinas“ oder „Organisation der Unterdrückten der Erde“ auf, die sich alle aus der gleichen sozialen und religiösen Szenerie rekrutieren. Insgesamt sieben verschiedene Gruppen haben sich mittlerweile zur Entführung westlicher Staatsbürger im Libanon bekannt.

Hizbollah selbst hat nie die Verantwortung für ein Kidnapping übernommen. Doch der Zusammenhang all dieser Gruppen untereinander und zu Hizbollah ist recht fließend. In einigen Fällen wurden beispielsweise die im Namen einer Gruppe entführten Geiseln von einer anderen übernommen. Die Forderungen, mit denen die Entführer gelegentlich an die Öffentlichkeit traten, zeigen unterschiedliche Akzentsetzungen. Der „Islamische Heilige Krieg“ wollte beispielsweise verurteilte Gesinnungenossen in Kuweit freipressen, der „Heilige Krieg für die Befreiung Palästinas“ forderte die Freilassung von Gefangenen in Israel. Im Falle des verschleppten Terry Waite verlangten Unbekannte in Beirut letztes Jahr ein Lösegeld in Höhe von sieben Millionen Dollar.

Einig sind sie sich jedoch alle in ihrer islamisch -fundamentalistischen Ausrichtung und dem Kampf gegen Israel und die US-Politik in der Region. Das gilt auch für Hizbollah. Jugendliche und junge Männer, die sich im Südlibanon dem Kampf gegen die israelische Besatzung verschrieben, fanden hier eine organisatorische Alternative zur ebenfalls schiitisch-fundamentalistischen Amal-Bewegung, die in ihren Augen nicht frei von staatspolitischen „Abweichungen“ war. Anders als Hizbollah ist Amal stärker sozialpolitisch orientiert und setzt auf eine Reform des traditionell von Christen dominierten politischen Systems des Landes. Damit will Amal den Schiiten, die mittlerweile zur größten Religionsgemeinschaft angewachsenen sind, entsprechenden politischen Einlfuß und zugleich Zugang zu Geldern verschaffen, um die Entwicklung des zurückgeblieben Südens zu fördern. Ein weiterer Unterschied zu Hizbollah: Für Amal, deren Sternstunde im Kampf gegen die Israelis schlug, endet der Kampf gegen den jüdischen Staat an der Grenze zwischen beiden Ländern.

Gemeinsame Interessen

Aber auch der Zwist zwischen den beiden Schiiten-Bewegungen hat seine regionalpolitische Komponente. Während Hizbollah vom Iran unterstützt wird, steht Amal auf der Seite des großen Bruders Syrien. Doch nun, angesichts des von Christen -General Michel Aoun ausgerufenen „Befreiungskrieges“ gegen die im Lande stehenden Truppen aus Damaskus, haben sich die beiden Bewegungen und ihre Hintermänner wieder auf gemeinsame Interessen besonnen. Kürzlich wurde in Teheran unter Billigung Syriens eine „Einheitsfront“ der „nationalen Parteien“ gegen Aoun aus der Taufe gehoben. Amal und Hizbollah waren mit von der Partie. Wie lange dieses x-te libanesische Oppositionsbündnis allerdings hält, bleibt abzuwarten.