Fatah-Kongreß in Tunis eröffnet

■ 1.200 Delegierte debattieren den künftigen Weg der größten Palästinenserorganisation in der PLO / Kritiker Arafats befürworten die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes gegen Israel

Berlin (taz) - Zum ersten Mal seit neun Jahren wurde gestern abend in Tunis ein Kongreß der Palästinenserorganisation Al Fatah eröffnet. Pünktlich zum sechzigsten Geburtstag von Yassir Arafat kamen 1.200 Delegierte zusammen, um über den künftigen Weg der größten Partei innerhalb des Dachverbandes PLO zu befinden. Neben Neuwahlen zum Zentralkomitee und organisatorischen Fragen wird es Arafat dabei vor allem darum gehen, seine Gefolgsleute von der Friedensstrategie zu überzeugen, für die er im letzten Herbst vom Exilparlament der PLO ein Mandat erhalten hatte.

Arafat muß dabei mit Kritikern in den eigenen Reihen rechnen. Viele Fatah-Mitglieder sind enttäuscht über den schleppenden Gang der Dinge, die einmal zur Gründung eines Palästinenserstaates an den Seiten Israels führen sollen. Namentlich von den Gesprächen zwischen den USA und der PLO, die im Dezember letzten Jahres aufgenommen wurden, hatte man einen schnelleren Durchbruch erwartet. Daher wird nun der Ruf nach militärischen Aktionen gegen Israel wieder laut. Im Gegensatz zu anderen palästinensischen Parteien in der PLO hatte Al Fatah Ende letzten Jahres den bewaffneten Kampf gegen den jüdischen Staat eingestellt.

Seit dem Fatah-Kongreß 1980 in Damaskus ist viel Wasser die palästinensischen Mühlen hinuntergelaufen. Dazwischen liegt die Vertreibung der PLO aus dem Libanon, eine innere Spaltung und der Bruch mit Syrien, der Aufstand in den israelisch besetzten Gebieten, die Ermordung des Arafat-Vize Abu Jihad und die Anerkennung Israels. Ungeachtet dieser einschneidenden Entwicklungen für die PLO allgemein und Al Fatah in besonderem handelt es sich bei den anstehenden Debatten eher um eine innerparteiliche Kritik und nicht eine Herausforderung und Infragestellung der Führung Arafats. Der gewiefte Taktiker hält außerdem eine Trumpfkarte in seinen Händen: Die Anhänger Al Fatahs in den besetzten Gebieten stehen hinter seinem Kurs - eine palästinensische Stimme, die heutzutage viel Gewicht hat.

Beate Seel