TIERQUÄLERGARTEN

■ Neues vom „Kaninchenkiller“, 2.Teil

Schlagzeilen der letzten Wochen wie „Kaninchenkiller“, Hundevergifter, Igelgrillen im Tiergarten etc. hören sich vielleicht wie Fakes an, beruhen jedoch auf Tatsachen.

Wie wir letzte Woche berichteten, wurde ein Verfahren gegen den Mitarbeiter des Gartenbauamtes G.W. eingestellt, weil sich Zeugen, die ihn beim unsachgemäßen Töten eines Kaninchens - er drehte ihnen den Hals um - hinsichtlich der Tatzeit widersprochen hätten. Gegen die Einstellung des Verfahrens läuft ein Widerspruch, der sich darauf beruft, daß nicht alle Zeugen dieses Vorgangs gehört worden waren. Vor einigen Tagen nun rief mich W.N. (Lehrer), ein Bewohner des Rollheimerdorfes, an, um mir mitzuteilen - „über die Kaninchen ärgere ich mich ja selber, aber hier geht es um Schlimmeres“ - daß sein Bekannter, Klaus M., ebenfalls recht unliebsame Erfahrungen mit dem als „Kaninchenkiller“ beschuldigten G.W. gemacht hätte.

Klaus M., 39, hatte einen Hund, einen - tibetanischen Mastiff - eine Art Schäferhundmischling, 1986 vor dem Opfertod in Nepal gerettet. Als Klaus ihn aufgegriffen hatte, lief er wohl schon ein paar Jahre frei herum. Paul ist ein Streuner und streunen ist nicht verboten, allerdings auch nicht erwünscht. Paul hat seine gewohnten Strecken; an der Mauer entlang, dann wendet er sich zum Tiergarten, schaut beim Tempodrom vorbei, legt sich manchmal dort schlafen oder spielt mit den Kindern, geht Menschen hinterher, die er nett findet und folgt ihnen manchmal sogar ins Auto. Wenn Klaus M. nicht zu erreichen ist, bleibt den Menschen kaum etwas anderes übrig, als Paul zur Polizei zu bringen, es gibt ein Bußgeld, mal 20, mal 50 - und er kann seinen Hund wieder abholen. Das ist ihm inzwischen an die zwanzig Mal passiert, die Polizisten in der Invalidenstraße kennen und mögen Paul, manchmal schläft er in einer Arrestzelle, wenn sein Besitzer nicht zu erreichen ist, manchmal kommt er in die Tiersammelstelle in Lankwitz. Sechsmal jedoch wurde der Hund ohne Halsband und direkt bei der Tiersammelstelle abgeliefert. Folge: höhere Bußgelder, die sich im Wiederholungsfall und nach Ermessen des zuständigen Sachbearbeiters, Herrn Lünser, der zur Zeit im Urlaub ist, steigern. Die letzte Bußgeldforderung liegt bei 850 Mark, die nächste, die bei 1200 liegen dürfte, ist unterwegs. „Einige leisten sich Oldtimer, ich leiste mir 'n Hund“, meint Klaus M. und ist verständlicherweise sauer auf Herrn Lünser, der auf einen Anruf von M.'s Anwalt gesagt haben soll: „Den schaff ick, den mach ick fertich.“

Und hier schließt sich der Kreis, und wir sind beim mutmaßlichen „Kaninchenkiller“ W., der beim Gartenbauamt beschäftigt ist und Paul sechsmal ohne Halsband abgegeben hatte - wie in einigen Fällen auch in den Bußgeldbescheiden nachweisbar ist - obgleich er wußte, wem der Hund gehörte. Klaus M. vermutet, daß G.W. dem Hund jedesmal das Halsband abgeschnitten hat. Am Kiosk an der Moltkebrücke, dem Treffpunkt von Tiergartenarbeitern, hätten sich Gärtner - so die Besitzerin - über G.W. unterhalten; der hätte damit geprahlt, daß er Klaus M. „fertigmachen“ würde, daß er dessen Hund das Halsband geklaut hätte und ihn in seinen Keller gesperrt hätte. Letzteres ist aktenkundig. Die Gärtner bestätigen das im Gespräch, fürchten sich aber offensichtlich davor, gerichtsverwertbare Aussagen zu machen - G.W. ist ihr Vorgesetzter.

Für Klaus M. spitzt sich die Lage zu - er kann die Bußgelder nicht mehr bezahlen, und darüber hinaus ist ja noch „die Geschichte mit der Ente passiert“: M. hat nämlich noch einen anderen Hund, Mienie, einen kleinen Terrier, mit dem er am 28.August '89 im Tiergarten spazierenging. Mienie spielte mit einer Ente, rupfte ihr vielleicht ein paar Federn aus, als, na wer wohl, G.W. vorbeikam, sich die Ente schnappte, sagte: „Die ist kaputt, dein Hund hat sie umgebracht“ und ihr daraufhin den „Gnadenstoß“ gab. Nach Aussagen von Klaus M., arbeitsloser Tiermediziner, fehlte der Mandarinente (die im Bußgeldbescheid als Wildente auftaucht) nichts. Es kam zu einem Verfahren, in dem Aussage gegen Aussage stand, die von G.W. jedoch für glaubwürdiger befunden wurde. Weil Klaus M. im Rollheimerdorf wohnt? Klaus M. bekam ein Bußgeld in Höhe von 3.000 Mark wegen Wilderei, darüber hinaus läuft ein Verfahren mit Ziel der Einziehung seines Hundes. Der Gerichtsvollzieher war bereits bei Klaus M. und hatte nichts gefunden, was pfändbar wäre. Nun droht ihm eine Erzwingungshaft von sechs Wochen.

Detlef Kuhlbrodt