„Streitbare Koalition“

■ SPD will nichts am Gehalt der Asylweisung ändern / AL weist Kritik an der Absprache zurück, thailändische Prostituierte nicht mehr automatisch abzuschieben

Abwinken hieß es gestern in den Pressestellen von SPD und AL, nachdem ein kurzes Intermezzo zwischen dem SPD -Fraktionsvorsitzenden Dietmar Staffelt und der AL-Fraktion auf dem Sommerlochbarometer die Stufe „Koalitionsstreit“ zu erreichen schien. Staffelt hatte Kritik am Zustandekommen der Senatsweisung zum verbesserten Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge geäußert und eine präzisierte, konkretisierte Neufassung angekündigt. In einem kleinen Rundumschlag teilte er zudem Rügen an Frauensenatorin Anne Klein in Sachen „Pilotenspiel“ und Innensenator Erich Pätzolds Notierung von Überstunden und warnte schließlich vor einer „Reformhektik“, die die BerlinerInnen überfordere. Weniger die Reformhektik als die hektischen Reaktionen auf Reformen sah dagegen die AL als Problem. Mit der AL werde es kein Abweichen vom Gehalt der Weisung geben, hieß es bei den Alternativen. Von einem „Koalitionsstreit“ wollte AL-Pressesprecherin Jutta Maixner nichts wissen - das ganze sei eher Ausdruck einer „streitbaren Koalition“.

Man möchte doch bitte genau lesen, was der Fraktionsvorsitzende der 'Welt‘ erzählt habe, mahnte SPD -Pressesprecher Hans Stadtmüller. Am Inhalt der Weisung gebe es nach wie vor nichts zu rütteln, nur am Zustandekommen habe Staffelt Kritik geübt. Wenn dem denn so ist, hat sich der Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer zu früh gefreut. Der begrüßte gestern die vermeintliche Absicht Staffelts, die Weisung zu ändern, verurteilte aber im gleichen Atemzug, daß thailändische Frauen nun nicht mehr umgehend abgeschoben werden sollen.

„Moralischen Amoklauf“ warf die AL der CDU-Abgeordneten Barbara Saß-Viehweger vor, die ihrerseits die Absprache zwischen Frauen- und Innensenat kritisiert hatte, wonach ausländische Prostituierte nicht mehr abgeschoben werden sollen.

Ziel der Aktion ist unter anderem der Versuch, die Frauen zu Aussagen gegen die Hintermänner des organisierten Menschenhandels zu bringen. Bislang kamen die Frauen nach Razzien sofort in Abschiebehaft, nun sollen sie unter menschenwürdigen Umständen so lange in Berlin bleiben können, wie ihr Touristenvisum gilt. Wenn es Frau Saß -Vieweger tatsächlich um die Bekämpfung von Menschenhandel und Prostitution gehe, so müsse sie zugeben, daß dies nicht durch die Razzia-Politik der Polizeiführung zu erreichen sei. Dadurch werde im Gegenteil die Profitrate der Hintermänner erhöht, da ein ständiger „Bedarf“ an neuen Opfern bestehe. Im Zuge der letzten großen Razzia im Juli waren unter anderem 25 Thailänderinnen festgenommen worden, zwölf sind bereits in die Heimat abgeschoben worden.

anb