Die Macher: Mergers-Manager

Für den Handel mit Unternehmen gibt es eine eigene Dienstleistungsbranche: Die „Mergers&Acquisitions„-Berater  ■  Konfusion im

Binnenmarkt

Teil 27: Ulli Kulke

Er ist der härteste Manager der Welt - diesen Titel verlieh ihm das Magazin, das es wissen muß: Das 'Manager Magazin‘. Und er ist ein Einzelgänger. Er haßt Stäbe, Bürokraten und Assistenten. Einsam durch Wind und Wolken rast er unstet um die Welt in seinem Gulf-Stream-Jet. („Ich leb da mehr oder minder drin“.) Nur die Gattin ist dabei, sein Untermanager fürs internationale Geschäft, und - man kann ja nie wissen, wie gerade die Stimmung am nächsten Landeplatz ist - ein bewaffneter Sicherheitsbeauftragter. So braucht der harte Mann im Zweifel nicht auch noch selbst zu ziehen.

Jack Welch (53), Boß des US-Multis General Electric mit satten 50 Milliarden Dollar Umsatz, holt nicht deshalb das Letzte aus Mann und Maschine heraus, um die Produktpalette seines Hauses wohlfeil anzubieten. Welch verkauft ganze Unternehmen aus seinem Bestand im Zuge einer großangelegten Rationalisierungsaktion. Getreu seiner Devise „Reparieren, verkaufen oder dichtmachen“ hat er nicht nur 100.000 Beschäftigte weniger bestallt als vor acht Jahren, sondern derweil auch 143 komplette Companies für neun Milliarden Dollar verhökert, andererseits für 16 Milliarden neue Unternehmen akquiriert.

Business as usual in diesen Zeiten, da Fusionen weltweit mehr denn je den wirtschaftlichen Gang der Dinge bestimmen. Aber Hand aufs infarktgefährdete Herz, liebe Leser, wer könnte so ein Leben führen? Selbst im sicher nicht faulen sozialen Umfeld Jack Welchs kann man seinesgleichen an einer Hand abzählen. Solch Umtriebigkeit ist indes auch nicht unabdingbar für jene, die mit ihrem Unternehmen im Fusionsgeschäft mitmischen wollen. Der Kapitalismus hätte schließlich die letzte Legitimaton verloren, wenn die Marktlücke für einschlägige Dienstleistungen, die sich immer mehr durch das „Mergers & Acquisitions„-Fieber (Fusionen und Ankauf) auftut, nicht längst geschlossen wäre: Spezielle „M&A„-Institute ziehen die Fäden im Hintergrund, bereiten vor, indem sie Expertisen auch schon mal detektivistisch erarbeiten, warnen im Zweifel, sind aber auch genauso um strategischen Rat gefragt, wenn eine Unternehmensleitung Abwehrschlachten schlagen muß gegen eine „feindliche Übernahme“ durch einen Dritten. Eher allgemein gehaltene Titel schmücken die Pforten einschlägiger Häuser: Investment -Institut, Anlageberatung und dergleichen mehr. In Wahrheit geht es dabei oftmals um kompletten Unternehmensan- und -verkauf. Und wie sich andere Zeitschriften mit alten Liebhaberautos befassen, so gibt die Deutsche Bank, seit wenigen Jahren selbst tätig in diesem Geschäft, einen eigenen 'Mergers&Acquisitions Report‘ heraus, ein Periodikum für Liebhaber von Unternehmen.

Aber auch wenn neben der Deutschen Bank nun auch die anderen Großbanken in Frankfurt aufgewacht sind und sich im An- und Verkauf tummeln wollen, so ist das einschlägige Geschäft doch fest in der Hand feinster Adressen in den USA und Großbritanniens. In New York sind da beispielsweise Goldman Sachs, Shearson Lehman, First Boston, Morgan Stanley, Salomon Brothers an allererster Stelle, in Großbritannien bestimmen Warburg&Co., Schroder, Lazard und Kleinwort die Szenerie.

Die Namen sind regelmäßigen Lesern der Wirtschaftspresse ein Begriff, tauchen sie doch immer mal wieder auf, wenn es um fachkundige Einschätzungen, gewagte Voraussagen oder auch wissenschaftliche Analysen geht. Sie sind durchaus freimütig in ihrer Öffentlichkeitsarbeit und mit kleinen Tips, was die Zukunft von Zins und Zahlen aus dem Wirtschaftsbereich angeht, um sich als seriöse Akquisitionsberater einen Namen zu machen. Salomon Brothers genoß so jahrelang den Ruf, den Zinspapst der Wall Street auf seiner Gehaltsliste zu haben. Schließlich geben die kaufwütigen Konzerne einen Haufen Geld für gute Beratung aus. Zwar gibt es grobe Faustregeln für die Honorierung. Bei Unternehmenswerten von unter 50 Millionen Dollar muß man laut 'Wall Street Journal‘ schon eineinhalb bis zwei Prozent berappen. In mehreren Stufen geht's dann herab bis auf ein halbes bis ein viertel Prozent bei Brocken, die für mehr als zwei Milliarden Dollar über den Tisch gehen; da macht's die Masse. Dennoch ist das Honorar im Einzelfall sehr unterschiedlich. Als Unilever die Cheseborough-Pond Inc. für 3,1 Milliarden Dollar schluckte, gab es für Goldman&Sachs nur ein Trinkgeld von 3,4 Millionen oder gute 0,1 Prozent. Hillsborough Holdings dagegen mußte beim Kauf der Jim Walter Corp. für 2,3 Milliarden Dollar insgesamt 41 Millionen für verschiedene Makler berappen.

Geringe Abschlußquote

Die Honorare können natürlich nicht nur von der Größe des abgeschlossenen Deals abhängen. Die 'Financial Times‘ schätzt, daß bisweilen zwanzig Deals vorbereitet werden, bis mal einer klappt. Da macht sich natürlich kein M&A-Institut ohne Garantiesumme ans Werk. Als die britische Konstruktionsfirma Beazer PLC die US-Maschinenfabrik Koppers Co. anvisierte, gingen erst mal eine Million Dollar an Shearson Lehman, bevor die das erste Mal die Tastatur ihrer Rechenmaschine in Gang setzten.

Dabei werden nicht nur Voraushonorare für tatsächlich angepeilte Aufkäufe gezahlt. Unternehmen, die zwar grundsätzlich, aber eher unspezifisch kauf- oder verkaufswillig sind, zahlen an M&A-Berater auch mal nur dafür, daß sie einfach die Ohren offenhalten. Aus den USA, dem Land der unbegrenzten - vor allem feindlichen Übernahmen, sind nun auch entsprechende Sitten in Europa eingeführt worden. Aus Angst davor, daß eines Tages ein großer Tycoon den Aktionären des Unternehmens ein lukratives Übernahmeangebot macht, versichern sich gewiefte Konzernleitungen durch dauerhafte Zahlungen an M&A-Institute des dann sofort nötigen Beistandes. Dann gilt es, blitzartig Verteidigungslinien aufzuziehen. Potente Kompagnons müssen gefunden werden für Gegenübernahme-Offerten, um den Angreifer seinerseits zu schlucken. Und wer wäre dafür besser geeignet als jene Profis aus den M&A-Häusern, die von früh bis spät ohnedies nur an Fusionen und Übernahmen denken, ständig Kurs-Gewinnverhältnisse, Unternehmensbewertungen und potentielle Schwachstellen von Übernahmekandidaten im Kopf haben. Für den groben Überblick stellen sie denn auch schon mal Listen einschlägiger Firmen zusammen und freimütig der Öffentlichkeit zur Verfügung. Außerdem müssen vielköpfige Rechtsabteilungen aktiviert werden, die das Vorhaben auf unternehmens- und katellrechtliche Verfänglichkeiten abklopfen - wie dies beides im Falle des gemeinsamen Übernahmevorhabens Siemens/General Electric gegen Plessey nachzuvollziehen war.

In ganz besonderen Fällen gehen sogar regelmäßige Honorare über den Tisch, mit der ausdrücklichen Auflage der Untätigkeit. In den USA erhalten fusionserfahrene Rechtsanwalts- und M&A-Häuser, die den besonderen Respekt der Hochfinanz genießen, regelmäßige Zahlungen gegen die Zusicherung, im Falle eines Fusionsfalles nicht für den feindlichen Übernehmer oder Rivalen zu arbeiten. Alles nach dem Motto „Ist der Ruf erst gut, lebt sich's auch, ohne daß man was tut“.

So weit sind die kontinentaleuropäischen Investment-Berater längst noch nicht. Auch bei Fusionen mit EG-Beteiligung spitzen vor allem die US-Experten den Bleistift. In der Bundesrepublik ist die spezielle Abteilung bei der Deutschen Bank, die „Deutsche Bank Mergers und Acquisitions“ Abteilung (DB-M&A), 1984 gegründet, führend. Im vergangenen Jahr brachte die Abteilung des Frankfurter Geldhauses Unternehmens-Transaktionen in Höhe von über zwei Milliarden Mark für ihre Kundschaft unter Dach und Fach und sackte dafür 28 Millionen Mark ein. Wenn man dagegen hält, daß die Abteilung seit 1984 insgesamt nur 50 Millionen eingefahren hat, so wird die wachsende Bedeutung der Fusionsberater für das Haus Herrhausen deutlich. Stolz macht der Chef des New Yorker DB-M&A-Ablegers geltend, die Hälfte aller Mergers -Beratungen im deutsch-amerikanischen Handel mit Unternehmen bearbeitet zu haben. Das klingt schön.

Doch wie klein mit Dachstuhl der Frankfurter Doppelturm der Deutschen Bank am internationalen Ladentresen ist, hat die Zeitschrift 'Euromoney‘ in seiner Juli-Ausgabe deutlich gemacht. In ihrer Liste der ersten 20 Mergers&Acquisitions Häuser im transatlantischen Verkehr insgesamt sucht DB-Chef Herrhausen sein Unternehmen vergeblich. First Boston steht hier allein mit 34 Milliarden gedealter Summe ganz oben an.

Es ist in der Vergangenheit, vor allem im Zuge der Reaganschen Deregulierung vielfach über die Benachteiligungen der US-Banken gegenüber ihrer bundesdeutschen Konkurrenz debattiert worden. Den Häusern „from coast to coast“ ist das Universalbanken-Geschäft gesetzlich untersagt: Entweder Investitionsgeschäfte tätigen und vermitteln oder mit dem Kreditgeschäft aus der Differenz zwischen Soll- und Habenzinsen leben. Anders die bundesdeutschen Banken, die beides vereinigen dürfen. In Sachen unbefangenen „Merger„tums hat sich das Universalbanken-System in der Vergangenheit allerdings eher bremsend ausgewirkt. Wenn die Deutsche, Dresdner oder Commerzbank in der bundesdeutschen Unternehmenslandschaft zahlreiche wichtige Kreditkunden hat, selbst an diversen Unternehmen beteiligt ist und darob in vielerlei Aufsichtsräten sitzt, so läßt sich's sehr oft nicht unbefangen beraten. Ein Experte von Salomon Brothers freut sich denn auch: „Die können doch aus ganz offensichtlichen Gründen niemanden objektiv beraten.“ Die Deutsche Bank meint, dem Problem zu Leibe gerückt zu sein, indem sie ihre M&A-Abteilung 1984 als eine völlig unabhängige ausgegliedert hat. Aber dennoch bestätigte Hilmar Kopper, für das Investmentbanking zuständiger Vorstand der Bank, gegenüber dem 'Manager Magazin‘, daß die Vorbehalte letztendlich immer noch zutreffen. M&A müsse zwar in völliger Unabhängigkeit laufen, die Loyalität gegenüber den Kunden habe aber Vorrang - und natürlich gegenüber den Ablegern. Wer sollte ernsthaft annehmen, daß die DB-M&A-Experten die hilfreichen Geister im Hintergrund spielen, wenn General Motors aus den USA ganz nach Landessitte ein feindliches Auge auf den Daimler -Konzern werfen sollte, an dem die Bank zu 28 Prozent beteiligt ist?

In einem solchen Fall müßte „GM“ dennoch nicht auf Beratung vor Ort verzichten. Shearson Lehman, Salomon Brothers und wie sie alle heißen: alle sind sie seit längerem im Frankfurt präsent; auch und nicht zuletzt im Vorgriff auf den EG-Binnenmarkt, der ihnen noch das eine oder andere Geschäft bescheren wird.