Regierungsvertreter mehrmals bei Mandela

Seit 1986 versuchten Delegationen des Apartheidregimes, den inhaftierten ANC-Führer von seinen Positionen abzubringen  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Eine vierköpfige südafrikanische Regierungsdelegation unter Leitung des Justizministers Kobie Cötsee hat seit 1986 wiederholt geheime Verhandlungen mit Nelson Mandela geführt. Das berichtete die angesehene oppositionelle Wochenzeitung 'Weekly Mail‘ in ihrer gestrigen Ausgabe unter Berufung auf diplomatische Quellen. Dem Bericht zufolge versuchten die Regierungsvertreter, den seit 27 Jahren inhaftierten Führer des verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) davon zu überzeugen, wichtige politische Positionen aufzugeben. Mandela jedoch ließ sich nicht überzeugen.

Ein Sprecher des Justizministers verweigerte bis Redaktionsschluß jeden Kommentar zu dem Bericht. Cötsee befinde sich in in der Provinz Oranje Freistaat und sei nicht zu erreichen, sagte der Sprecher.

Dem 'Weekly Mail'-Bericht zufolge traf Mandela sich mehr als ein Dutzend Mal mit der Regierungsdelegation. Dabei wurde er gedrängt, seine Forderungen nach Sanktionen und der internationalen Isolierung Südafrikas aufzugeben und seine Unterstützung für den bewaffneten Kampf einzustellen. Außerdem sollte er von seiner Forderung nach einer Verfassung für ein künftiges Südafrika abrücken, in der das gleiche Stimmrecht für alle festgeschrieben ist. Auch die Massenmobilisierung der schwarzen Bevölkerung sollte er ablehnen. Mandela weigerte sich offenbar, in diesen Punkten nachzugeben.

Ein Resultat der Gespräche soll das Treffen zwischen Staatspräsident Pieter W.Botha und Mandela Anfang Juli gewesen sein. Das Treffen sei auf Wunsch Mandelas zustande gekommen. Die Regierung war jedoch enttäuscht, weil Mandela in einer darauffolgenden Erklärung betonte, daß er seine Ansichten in der Gefangenschaft nicht geändert habe - ein deutlicher Hinweis, daß er nach wie vor den bewaffneten Kampf unterstützt.

Vor allem Vertreter der Sicherheitskräfte sind inzwischen offenbar besorgt, daß es Mandela war, der in den Gesprächen die Initiative ergriffen hat. Mandela habe sich in der Öffentlichkeit behauptet, ohne daß er irgendein Zugeständnis gemacht habe, heißt es. Das habe zu Unsicherheiten und Differenzen in der südafrikanischen Regierung geführt. Der Bevölkerung sei nun nicht mehr klar, wie die Regierung eigentlich zu Mandela stehe.