Entspannung in der Geiselfrage

■ Entführer von US-Bürger Cicippio setzen Morddrohung aus und unterbreiten Verhandlungsangebot / Vorsichtiger Optimismus und Erleichterung in Washington und Jerusalem / Israel fühlt sich bestätigt / Iranischer Präsident Rafsandschani: „Wir werden euch helfen“

Beirut/Tel Aviv/Berlin (ap/taz) - Das Tauziehen um die westlichen Geiseln im Libanon hat sich am Donnerstag abend entspannt, nachdem die Entführer des US-Bürgers Josef Cicippio ihre Morddrohung ausgesetzt haben. Damit fällt zugleich der Vorwand für einen eventuellen US-Angriff der vor der Küste zusammengezogenen US-Armada gegen Ziele im Libanon weg. Die 'New York Times‘ berichtete am Freitag, Präsident George Bush sei „so gut wie entschieden“ gewesen, Ziele im Libanon zu bombardieren, falls die Geisel getötet würde. Baalbek im Osten des Landes habe als mögliches Angriffsziel gegolten. Dort befindet sich die Zentrale der iranischen Revolutionsgardisten im Libanon.

Die „Revolutionäre Gerechtigkeitsorganisation“ begründete ihr Einlenken in einem Kommunique mit der Intervention dritter Parteien und Länder. Man wolle Israel Zeit geben, um den entführten Scheich Karim Obeid sowie mehrere libanesische und palästinensische Kämpfer freizulassen. Ihre Namen würden zu einem späteren Zeitpunkt dem Roten Kreuz vorgelegt. Eine Antwort Israels werde „binnen Tagen“ erwartet.

In ersten Stellungnamen äußerten Politiker in Jerusalem vorsichtigen Optimismus. Margaret Tutwiler, Sprecherin des US-Außenministeriums, verteilte zum zweiten Mal in 24 Stunden gute Noten an den Iran. Der neue iranische Staatspräsident Haschemi Rafsandschani zeigte seinerseits seinen guten Willen und sprach sich in der Geiselfrage für eine Verhandlungslösung aus. „Es muß intelligent vorgegangen werden, und - ich wende mich an das Weiße Haus - wir werden euch helfen, diese Lösung zu finden“, erklärte Rafsandschani und wandte sich zugleich gegen jede militärische Option.

Die Entführung Scheich Obeids durch Israel hatte im Iran zunächst unterschiedliche Reaktionen führender Politiker ausgelöst. Innenminister und Hardliner Mohtaschemi rief beispielsweise die schiitische, pro-iranische Hizbollah -Bewegung zu Racheaktionen auf. Es war Mohtaschemi, der in der Vergangenheit häufig Hizbollah-Delegationen empfing, die den Iran besuchten. Doch in den letzten Monaten kam ihm Rafsandschani in die Quere: Er machte den Gästen klar, daß die Zeichen im Iran nicht länger auf dem Export der islamischen Revolution, sondern auf dem Wiederaufbau des Landes stehen. Presseberichten zufolge sollen die Gelder für Hizbollah gekürzt worden sein. Unter der Ägide Rafsandschanis fand kürzlich auch die Aussöhnung zwischen Hizbollah und deren Konkurrenzorganisation Amal, die zugleich eine Wiederannäherung zwischen Amal und Iran war.

In Washington und Jerusalem hat man allen Grund, über die Entwicklung erleichtert zu sein, zumal auch die Sowjetunion und Syrien ihre Hilfe in der Geiselfrage angeboten haben. Vor allem in Israel kann man jetzt aufatmen: Schließlich war es die Entführung Obeids gewesen, die den ganzen Prozeß ins Rollen brachte und eine gleichgültige internationale Öffentlichkeit zum Handeln zwang, wie der angesehene Militärkommentator Zeef Schiff in der zeitung 'Haaretz‘ schrieb. In Regierungskreisen hieß es, der mit den USA koordinierte Druck auf Schiiten im Libanon und den Iran hätte zum Beginn eines Verhandlungsprozesses geführt, der in einem Tausch von Geiseln gegen Gefangene münden soll. Auch der israelische General Mosche Nativ, der 1985 einen Austausch ausgehandelt hatte, zeigte sich zuversichtlich.

b.s.