AL hofiert Diktator

■ Ein AL-Vertreter reist als offizieller Sprecher der Partei nach Nordkorea und huldigt dem stalinistischen Regime / Gab der AL-Vorstand seinen Segen oder nicht?

Peter Lohauß, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der AL läßt keinen Zweifel aufkommen: „Ich kann mir nichts vorstellen, was die AL mit Nordkorea zu tun hätte.“ Ähnlich äußert sich das ehemalige Vorstandsmitglied Johann Müller -Gazurek: „Man kann sich nicht mit Nordkorea gemein machen.“ Andere ALer sehen das offenbar anders: Mitte Juli reiste Ismail Kosan als „Sprecher der Alternativen Liste“ zur stalinistischen Kim-Il-Sung-Clique. Kosan nahm mit anderen Westlern an einem Propagandaspektakel der Regierung in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang teil - ob mit oder ohne Billigung des Geschäftsführenden Ausschusses ist unklar.

Ismail Kosan, bei den letzten Wahlen zum Geschäftsführende Ausschuß als Kandidat des Ausländerbereichs gescheitert, fuhr zu einem „internationalen Friedensmarsch“ für die Wiedervereinigung des geteilten Landes, mit dem der Diktator Kim Il Sung dem Volk seine weltweite Anerkennung vorgaukeln wollte. Rund 300 AusländerInnen aus allen Teilen der Welt wurden dazu eingeflogen und durften StatistIn spielen für einen der letzten Stalinisten. Zu seinem politischen Repertoire gehört nicht nur die Unterdrückung der Opposition, sondern auch Bombenattentate auf Flugzeuge, wie kürzlich ein Prozeß in Südkorea enthüllte.

„Die haben sich voll einspannen lassen in die Propagandamaschine“, urteilt ein Beobachter. Kosan genoß seine Rolle offensichtlich. Nach Augenzeugenberichten ließ er sich von kräftigen jungen Männern in einem Triumphzug nach Manier von römischen Gladiatoren durch die Hauptstadt tragen.

In der Öffentlichkeit trat er als AL-Vertreter auf und gab in deren Namen Erklärungen ab. Begeistert äußerte er sich unter anderem auch über die Monumentalarchitektur des Regimes: „Imponierend die Aufbauleistung.“ Ein Sechs-Augen -Gespräch mit nordkoreanischen Regierungsmitgliedern ist Beleg dafür, welche Bedeutung dem Mitglied einer westlichen Regierungspartei zugemessen wurde. Dem AL-Vorstand hat Kosan, der seit Ende Juli wieder in Berlin ist, weder über den Inhalt des Gesprächs berichtet, noch war er bisher zu einer Stellungnahme zu erreichen.

Während der AL-Sprecher Stefan Noe erklärt, die Reise Kosans habe die „Weihen der Al gehabt“, fiel Vorständler Lohauß aus allen Wolken: „Es hat keinen derartigen Beschluß gegeben.“ Zwar sei das vom Ausländerbereich eingebrachte Projekt angesprochen worden, doch sei „niemals von einer repräsentativen AL-Beteiligung die Rede gewesen“.

„Das Projekt erschien keinem einsichtig“ und wurde deshalb auch nicht finanziell unterstützt, erinnert sich Lohauß. Ihm war auch nicht bekannt, daß der Friedensmarsch von der dortigen Regierung veranstaltet wurde. Der Vorstand habe über den Antrag nicht politisch diskutiert, erinnert sich auch Vorständlerin Ilona Hepp. Protokollant Johann Müller -Gazurek bestätigt, daß die Finanzierung einer Reise abgelehnt wurde - von Ismael Kosan als Reisekandidat sei darüberhinaus überhaupt nicht die Rede gewesen.

Gerd Nowakowski