Türkei: 1.800 im Hungerstreik

Berichte von Abgeordneten im Gefängniskrankenhaus belegen Mißhandlung und Tod von kurdischen politischen Gefangenen / Nackt aneinandergekettete Männer niedergeknüppelt  ■  Aus Istanbul Ömer Erzeren

Wenige Tage nach dem gewaltsamen Tod zweier hungerstreikender Gefangener im türkischen Knast von Aydin besteht endgültig Klarheit über die Todesursache. Zwei Abgeordnete der sozialdemokratischen Partei konnten die Krankenstation des Gefängnisses besuchen, in der die restlichen verletzten Gefangenen behandelt werden. Sie berichteten anschließend auf einer Pressekonferenz in Izmir, daß der Gefangene Serif Simen „an Hoden und Penis blutet“. „Die Rippenknochen des Gefangenen Havur Adibelli sind gebrochen. An Kopf und Leisten von Alladin Aktas sieht man Prellungen. Viele der Gefangenen müssen sich ständig übergeben und sind nicht in der Lage zu sprechen.“ Die detaillierten Beschreibungen der Verletzungen jener 23 Gefangenen, die die beiden Abgeordneten sehen durften, belegen, daß die hungerstreikenden Gefangenen mißhandelt wurden und nicht, wie eine offizielle Autopsie behauptete, an „akutem Flüssigkeitsmangel“ starben.

Den Hungerstreik von 280 der insgesamt 312 Insassen des Gefängnisses von Eskisehir gegen unmenschliche Haftbedingungen wollte das Justizministerium brechen, indem man die größtenteils kurdischen politischen Häftlinge nach 35 Tagen Hungerstreik verlegte. Nach einem 15stündigen Transport in die Anstalt von Aydin wurden die 312 Gefangenen mißhandelt. Mehmet Yalcinkaya und Hüsnü Eroglu erlagen ihren Verletzungen. „Die hungerstreikenden Gefangenen mußten sich nackt und aneinandergekettet in eine Reihe stellen. Dann wurden sie geprügelt. Es gab Tote und Verletzte. Auch nachdem sie in den Zellen eingesperrt waren, wurden die Knüppelhiebe fortgesetzt“, so die sozialdemokratischen Abgeordenten Ahmet Ersin und Veli Aksoy in Izmir.

Ärzte, die gegen die Mißhandlung der nach 35 Tagen völlig Entkräfteten intervenieren wollten, wurden auch vom Militär geschlagen und abgedrängt. Unterdessen haben sich zwei beim Justizministerium angestellte Ärzte geäußert. Sie sollen laut Justizverwaltung ein Gutachten über die Transportfähigkeit der 312 Gefangenen angefertigt haben. In der Zeitung 'Cumhuriyet‘ berichteten sie, daß sie sich trotz Drohungen geweigert hätten, das Gutachten zu unterzeichnen.

Über 1.800 politische Gefangene befinden sich inzwischen aus Protest gegen die Morde in Aydin im Hungerstreik, darunter auch 15 Gefangene in Aydin im 39.Tag. Ihr Zustand wurde von offizieller Seite als ernst bezeichnet. Kommentar auf Seite 8