Gnadenfrist für die „Boat people“ in Hongkong

Geheimabkommen zwischen London und Vietnam über Zwangs-„Repatriierung“ Tausender vietnamesischer Boat people noch nicht unterzeichnet / USA machen Vietnam Druck, das bessere Beziehungen will / Keine Hilfe, wenn Flüchtlinge abgeschoben werden  ■  Von Ralf Sotscheck

Das Abkommen zwischen Großbritannien und Vietnam über die „obligatorische Rückführung“ der nach Hongkong geflohenen „Boat people“ ist offenbar auf Eis gelegt worden.

Der damalige britische Außenminister Geoffrey Howe und sein vietnamesischer Amtskollege Nguyen Co Tach waren bereits Ende Juni in geheimgehaltenen Verhandlungen übereingekommen, die als „Wirtschaftsflüchtlinge“ eingestuften Boat people zwangsweise zu repatriieren. Von dieser Regelung sind zwei Drittel der 50.000 VietnameInnen in Hongkong betroffen. Großbritannien hatte sich bereiterklärt, im Gegenzug eine „Wiedereingliederungshilfe“ an Vietnam zu zahlen.

Die Behörden Hongkongs, die wegen der Überfüllung der Aufnahmelager auf eine zügige Ausweisung der Boat people drängen, haben bereits vor drei Wochen eine Gruppe von 24 VietnamesInnen in eine ehemalige Strafkolonie verlegt.

Diese Menschen - fast ausnahmslos arme Fischerfamilien aus Nordvietnam - waren nicht als politische Flüchtlinge anerkannt worden und sollten als erste aufgrund des Abkommens nach Vietnam „zurückgeführt“ werden. Sie waren in die Strafkolonie verlegt worden, um in den Aufnahmelagern bei Beginn der Transporte keinen Aufruhr auszulösen.

Die endgültige Unterzeichnung der Vereinbarung ist jedoch immer wieder verschoben worden. Die USA hatten wiederholt erklärt, daß sie eine Abschiebung der Flüchtlinge nach Vietnam strikt ablehnten. Die UN-Flüchtlingskommission verlangt von den Behörden Hongkongs, alles zu unternehmen, um die Boat people zur freiwilligen Rückkehr zu überreden. Washington hatte der vietnamesischen Regierung gedroht, daß Vietnam eine Anklage wegen Menschenrechtsverletzungen vor den Vereinten Nationen zu erwarten habe, falls Hanoi das Abkommen mit Großbritannien unterzeichne. Darüber hinaus könne Vietnam dann nicht mit der erhofften US -Wirtschaftshilfe rechnen, wenn sich die vietnamesischen Truppen Ende September aus Kambodscha zurückziehen.

Da die vietnamesische Regierung auf eine Verbesserung der Beziehungen zu den USA bedacht ist, hat sie die „Rückführungsvereinbarung“ bisher nicht unterzeichnet. Die USA und Vietnam hatten nach siebenjährigen Verhandlungen vor einer Woche ein Flüchtlingsabkommen unterzeichnet, das Offizieren und Beamten des alten Regimes, die jahrelang in Umerziehungslagern gesessen haben, die Ausreise in die USA erlaubt. Es könnte nach vietmanesischen Schätzungen 400.000 Menschen betreffen.

Der Flüchtlingsschub aus Vietnam, der in diesem Jahr täglich 150 Boat people nach Hongkong brachte, hat in der vergangenen Woche etwas nachgelassen, weil die Taifun -Jahreszeit begonnen hat. Außerdem hat die vietnamesische Regierung eine Kampagne gegen korrupte Parteifunktionäre an der Nordostküste eingeleitet, um die Zahlung von Schmiergeldern für Fluchthilfe zu unterbinden.