„Alles unheimlich unangenehm“

■ Interview mit dem in Ost-Berlin lebenden Ex-StaSi-Agenten Werner Hoppe / „Das waren irgendwie ganz unnormale Zeiten damals“ / Der 68jährige traut sich zur Zeit nicht mehr auf die Straße

Es war in der Nacht zum 26.Juli 1951, als der StaSi-Agent Werner Hoppe versuchte, den ehemaligen Jugendsekretär der Ostberliner Liberalen Partei aus West-Berlin zu verschleppen. Solche Kidnapping-Aktionen waren im Kalten Krieg keine Seltenheit. Berlin war, trotz der Sektorengrenzen, noch eine offene Stadt - es gab Hunderte von Fluchtstraßen vom Ost- in den Westteil der Stadt. Rund zwei Dutzend Politiker verschwanden auf diese Art und Weise und wurden in der Sowjetischen Besatzungszone verurteilt. Einige kehrten nie zurück. Hoppes Entführungsplan mißlang. Jakobi schrie um Hilfe, Hoppe wurde nervös, würgte den Motor des Fluchtautos ab, schließlich wurde der Liberale von Fußgängern befreit. Die Kidnapper machten sich zu Fuß aus dem Staub und verschwanden über die Sektorengrenze. Ein halbes Jahr später wurde Hoppe, der den Einsatz leitete, mit einem Komplizen im Westsektor geschnappt. Vor Gericht wurde er wegen versuchten Menschenraubes zu siebeneinhalb Jahren Knast verurteilt. Nach 13 Monaten konnte Werner Hoppe fliehen: Seine Frau hatte Sägeblätter in den Knast geschmuggelt. Die Entführungen von West nach Ost endeten mit der Stalin-Ära im Jahre 1953. Am 23.Juni 1989 wurde Werner Hoppe in der Weddinger Karstadt-Filiale verhaftet. Dem Rentner wurde vorgeworfen, ein Pfund Kaffee und ein paar Päckchen Tortenguß geklaut zu haben. Auf der Wache kamen die Behörden angeblich erst dahinter, wen sie gerade hops genommen hatten. Hoppe saß erneut 21 Tage im Gefängnis, bis er begnadigt wurde. Die taz rief den mittlerweile 68jährigen Ex-Agenten gestern in seiner Köpenicker Wohnung in Ost -Berlin an.

taz: Herr Hoppe, tut Ihnen heute leid, was sie damals gemacht haben?

Werner Hoppe: Na, das ist doch klar, wa. Das ist doch alles schon so lange her, das war doch schon 1950, die Verhaftung und alles. Das waren doch irgendwie ganz unnormale Zeiten damals. Es sind jetzt über 38 Jahre dahingegangen, da sieht man die Sache doch ganz, ganz anders. Damals wurde uns doch von der DDR-Führung gesagt: Das sind Staatsfeinde, die haben Verbrechen begangen.

Und das haben Sie auch geglaubt?

Ja, freilich. Aber sowas gibt's doch heute gar nicht mehr, jedenfalls nicht in Mitteldeutschland.

Ist Ihnen bekannt, daß umgekehrt versucht wurde, Politiker aus Ost-Berlin in dem Westen zu verschleppen?

Na, das war doch bei mir so, nach meiner Flucht aus dem Gefängnis. Da haben mich Leute, sogar aus dem Freundeskreis, versucht zu überreden, daß ich nach'm Westen kommen soll...

...damit Sie da festgenommen werden, oder warum?

Ja, sicher. Ich wurde hier auch beschattet, von West -Agenten.

Sie haben sich damals im Gefängnis mit Sägeblättern befreit. Wie lief Ihre Flucht denn genau ab?

Ach, da möcht‘ ich mich lieber nicht zu äußern.

Waren Sie jetzt im Juli das erste Mal seit 38 Jahren wieder in West-Berlin?

Nee, ich war vorher auch schon öfter mal da, aber da ist nie was passiert.

Jetzt wird behauptet, Sie hätten bei Karstadt ein Pfund Kaffee geklaut.

Das ist doch totaler Quatsch. Der war 7 Mark wert, der Kaffee, und ich hatte 295 Mark bei mir. Da klau‘ ich doch keinen Kaffee, wenn ich soviel Geld hab. Das hab‘ ich nicht nötig gehabt. Ich war hier selbständig, im Osten, ich hab‘ ein Vermögen, ein gutes Auskommen, ich hab‘ ein Haus und ein Auto. Da hab‘ ich das doch nicht nötig!

Und warum sind Sie dann verhaftet worden? Glauben Sie, daß das eingefädelt war, daß Sie vorgeführt werden sollten?

Ja, genau. Das war doch 'ne abgemachte Sache, anders kann ich mir das nicht erklären.

Wollen Sie in der nächsten Zeit noch mal nach West -Berlin?

Da muß ich erst mal abwarten. Da werde ich nochmal mit meinem Anwalt reden müssen.

Sind Sie Mitglied der SED?

Nein.

Auch damals nicht?

Nein.

Warum haben Sie sich denn damals entschlossen, Agent zu werden?

„Entschlossen“ ist gut... (lacht kurz)

Dann formuliere ich die Frage anders: Wie sind Sie da reingeraten? Sie haben mir vorhin gesagt, Sie hätten an die Sache geglaubt.

Hab ich auch. Aber 1948, 1949, das war doch 'ne ganz unnormale Zeit. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ich war im Zweiten Weltkrieg bei der Luftwaffe, ich war eigentlich mit Leib und Seele Soldat. Und das hat sich hinterher eben so weiterentwickelt.

Sie hatten gar keine politischen Gründe, für die StaSi zu arbeiten? So nach dem Motto: Ich kämpfe jetzt mit allen Mitteln für den Sozialismus?

Ach wissen Sie, mir wurden damals eben die Angebote gemacht, und das waren alles unsichere Zeiten, deshalb hab‘ ich da mitjemacht. Ich weiß gar nicht, warum da jetzt so'n unheimlicher Wirbel jemacht wird, nich wahr. Das ist mir alles so unheimlich unangenehm. Auch hier in meiner Gegend, wo ich wohne, und in meinem ehemaligen Betrieb...

...da werden Sie von den Bewohnern und Angestellten jetzt scheel angesehen, oder was meinen Sie?

Ja, genau. Ich hab mich heute noch gar nicht aus meiner Wohnung getraut. Und das nach all der langen Zeit, da hab‘ ich nich mehr mit jerechnet.

Interview: Claus Christian Malzahn