Berliner Atommüll nach Sellafield?

■ Umweltsenatorin Schreyer will Reaktor des Hahn-Meitner-Instituts frühestens im Sommer 1990 genehmigen / Darf er überhaupt in Betrieb gehen? / Wichtige Unterlagen und Gutachten fehlen noch / Beim HMI kann man Schreyers Aussagen „nicht nachvollziehen“

Ob und wann der umstrittene Forschungsreaktor BERII des Hahn -Meitner-Instituts (HMI) in Betrieb gehen kann, bleibt ungewiß. Eine Betriebsgenehmigung glaubt Umweltsenatorin Schreyer (AL-nah) frühestens Mitte nächsten Jahres erteilen zu können. Allein die erforderlichen Unterlagen werden nach Schreyers Angaben frühestens im ersten Quartal 1990 beisammen sein. Weitere vier Monate veranschlagt die Senatorin dann, um die Betriebsgenehmigung zu erarbeiten. Das geht aus einem Zeitplan hervor, den Schreyer gestern vorstellte. Die Frage, ob der Reaktor überhaupt genehmigungsfähig sei, mochte die Senatorin gestern „weder mit Ja noch mit Nein“ beantworten. Eine derartige - von Wissenschaftssenatorin Riedmüller (SPD) immer wieder geforderte - „Grundsatzentscheidung“ wäre dem Atomrecht „völlig fremd“, sagte Schreyer. Sie kann mittlerweile auf kompetente Helfer bauen: Mittels Beratervertrag verpflich tete sie das Freiburger Öko Institut.

Das HMI, dem der alte Senat eine Genehmigung noch für August 1989 in Aussicht gestellt hatte, war mit Schreyers Aussagen gestern ganz und gar nicht zufrieden. „Wir können nicht nachvollziehen, wie es zu diesen Zeitangaben kommt“, erklärte Institutssprecher Horstmann. Schreyer dagegen wies den schwarzen Peter zurück. Der Zeitablauf liege „nicht im Einfluß des Senats“. So fehlten nicht nur eine Reihe von Gutachten externer Institute und des TÜVs, sondern auch Unterlagen, die das HMI beim Senat abliefern muß. Die Katastrophenplanung, für die der Innensenator verantwortlich sei, liege vermutlich erst Ende des Jahres vor. „Kein Konzept“ gebe es bisher auch für die Entsorgung des Atommülls. In der US-amerikanischen Anlage in Savannah River, die den HMI-Müll bisher abgenommen hatte, herrschten „mißliche Zustände“. Ob die von Bonn vorgeschlagene Zwischenlagerung des Atommülls in der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield „atomrechtlich verträglich“ sei, werde zur Zeit vom Land Schleswig-Holstein geprüft.

Von 50 Änderungsanträgen, die das HMI eingereicht habe, seien immer noch sechs offen, erläuterte Schreyer weiter. Vier von ihnen will sie innerhalb von ein bis drei Monaten abarbeiten. Keinen Zeitplan konnte die Senatorin für die Bearbeitung von zwei weiteren Änderungsanträge nennen. In diesen Fällen - sie betreffen die sogenannte „schnelle Rohrpost“, die Forschungsobjekte zum Reaktor befördert, und einen „internen Transportbehälter“, der dem Austausch von Brennelementen dient - schloß Schreyer eine erneute Bürgerbeteiligung nicht aus.

Das HMI treibt nun weiterhin die Sorge, das lange Verfahren könnte dem Institut den Garaus machen. Sprecher Horstmann bekräftigte gestern die Befürchtung, Bundesforschungsminister Riesenhuber könnte dem HMI den Status einer Großforschungseinrichtung aberkennen, wenn die Reaktorgenehmigung zu lange auf sich warten ließe. Während sich Horstmann dabei auf die Aussagen von Riesenhubers Beamten berief, kam vom Sprecher des Bonner Ministers ein Dementi. Die Dauer des Genehmigungsverfahrens werde nicht dazu führen, daß Bonn „den Geldhahn zudreht“, sagte Sprecher Walter Mönig. Ginge der Reaktor allerdings überhaupt nicht in Betrieb, dann werde der Forschung am Institut „die Grundlage entzogen“.

hmt