Bomben gegen die Neckermänner

Korsikas Nationalisten drohen den Touristikinvestoren und ihren Kollaborateuren: „Die Zeit der Ruhe ist vorbei, jetzt werden wieder Bomben gelegt“ / Treffen von Europas Separatisten in Corte  ■  Aus Paris Alexander Smoltzcyk

„Wir werden unerbittlich gegen die Balearisierung unserer Insel vorgehen“ - eine Botschaft der korsischen Separatistenorganisation FLNC, die zweifelsohne verstanden wird in einem Moment, wo halb Paris inklusive Expremier Laurent Fabius die matten Großstadtknochen auf der Sonneninsel ruhen läßt. Die Balearen, hotelgespickte Hochleistungslandschaft vor Spaniens Küste, gelten den Korsen als Schreckgespenst. Die Botschaft der FLNC ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Per Video trug man auf den 9.„Internationalen Tagen von Corte“ vor Nationalisten aus Nordirland und der Bretagne, dem Baskenland und dem Aosta-Tal sowie vor Grünen aus Frankreich und der Schweiz vor: „In Zukunft wird gegen touristische Großprojekte wieder aktiv vorgegangen werden.“ Aktiv? „Die Zeit der Ruhe ist vorbei, jetzt werden wieder Bomben gelegt werden“, präzisiert Yves Stella, als Redakteur der nationalistischen Wochenzeitung 'U Ribombu‘ (Das Echo), einer der Organisatoren des Treffens vom Wochenende.

Nachdem die FLNC im Juni 1988 einen einseitigen Waffenstillstand verkündet hatte, waren es vor allem die Bodenspekulanten, die von der ungewohnten Ruhe profitierten. Die großen europäischen Touristikunternehmen begannen meist unter einer korsischen Tarnkappenfirma -, sich im Süden der Insel mit Terrain einzudecken. Unterstützt wurden sie dabei, so das Kommunique der FLNC, „von den Vertretern der Clans, die Flächennutzungspläne vervielfältigen oder verzögern, um den Spekulanten freie Hand zu lassen“.

Gewichtigere Kollaborateure der Touristik-Tycoons säßen allerdings, so Yves Stella und mit ihm die meisten Gäste des Treffens, in Brüssel: „Die Förderpolitik der EG möchte aus Korsika den Badestrand Europas machen - sie tun alles für die Entwicklung des Tourismus, nichts für die Förderung der einheimischen Industrie.“ Tatsächlich flossen 274 Millionen Francs (115 Millionen Mark) zwischen 1986 und 1988 im Rahmen des EG-Mittelmeerprogramms aus den EG-Kassen nach Korsika, und keineswegs alles wurde in Hotelneubauten und Segelschulen gesteckt. Doch die korsischen Nationalisten meinen, die Aufnahmefähigkeit ihrer Insel für Touristen sei erschöpft: „Jeder weitere Ausbau würde die korsische Gesellschaft destabilisieren und verändern“, meint Stella, eine Furcht, die er mit den Separatisten anderer europäischer Länder teilt.

Um diese Ängste zu beruhigen, soll von Staats wegen im Herbst in Ajaccio ein Kolloquium über die Zukunft von Europas Inseln im Binnenmarkt stattfinden. Wenn es nicht wegen Bombendrohungen abgesagt wird.